16. Juni, 2025

Unternehmen

Hörgeräte-Übernahme: Wie Kind Teil des globalen Machtspiels wird

Der dänische Demant-Konzern kauft den deutschen Hörgerätefilialisten Kind für 700 Millionen Euro. Die InvestmentWeek zeigt, wie sich der weltweite Hörgerätemarkt immer stärker in wenigen Händen konzentriert – und warum der Verkauf für Kind alternativlos war.

Hörgeräte-Übernahme: Wie Kind Teil des globalen Machtspiels wird
Milliardendeal in der Hörakustik: Für 700 Millionen Euro schluckt Demant die deutsche Kette Kind und baut seine Marktführerschaft in Europa konsequent aus.

Die Entscheidung fiel überraschend, doch sie folgt einer klaren Marktlogik: Mit dem Verkauf der traditionsreichen Hörgerätekette Kind an den dänischen Wettbewerber Demant zieht sich ein weiteres deutsches Familienunternehmen aus dem globalen Wettbewerb zurück.

Preis: rund 700 Millionen Euro. Für Demant ist es ein strategischer Coup – und für Alexander Kind, den bisherigen Eigentümer, letztlich eine unausweichliche Konsequenz der Marktentwicklung.

Globalisierung frisst Mittelstand

Noch 2017 hatte Kind einen Verkauf kategorisch ausgeschlossen. Doch acht Jahre später spricht er offen über die Gründe für den Sinneswandel: Gegenüber der dominanten Industrieallianz aus börsennotierten Milliardenkonzernen sei der Spielraum eines Mittelständlers „zunehmend begrenzt“.

Die Zahlen geben ihm recht. Während Kind auf etwa 300 Millionen Euro Umsatz kommt, erwirtschaftet Weltmarktführer Sonova aus der Schweiz rund 4,1 Milliarden Euro. Der dänische Käufer Demant bringt es bereits auf 2,6 Milliarden – Tendenz steigend.

Deutscher Markt stark fragmentiert

In Deutschland zählt Kind bislang zu den führenden Akteuren: Rund 600 Filialen sichern dem Unternehmen Platz zwei hinter Marktführer Geers, der seit 2018 zu Sonova gehört. Wettbewerber Amplifon aus Italien und die Optikerkette Fielmann folgen mit respektablen Anteilen.

Doch die Marktstruktur bleibt fragmentiert: Laut Bundesinnung der Hörakustiker entfallen zwei Drittel der bundesweit 7.500 Standorte auf kleinere, unabhängige Akustiker.

Trotzdem: Die Konsolidierung schreitet voran. Mit der Übernahme von Kind baut Demant seine Präsenz in Deutschland massiv aus. Schon heute betreibt der dänische Konzern hierzulande über 300 eigene Standorte. Künftig wird Demant klarer Marktführer im zweitgrößten europäischen Absatzmarkt.

Milliardenmarkt mit Wachstumsfantasie

Die Attraktivität des Geschäfts liegt im Demografieeffekt. Weltweit wächst der Hörgerätemarkt um jährlich sechs bis acht Prozent.

Premium-Hörgeräte treiben Preise: Deutsche zahlen im Schnitt über 1.500 Euro privat für Komfortfunktionen – Krankenkassen decken meist nur die Basisversorgung ab.

Grand View Research schätzt den globalen Branchenumsatz derzeit auf rund sieben Milliarden Euro, bis 2030 könnten es elf Milliarden werden. Europa hält einen Marktanteil von rund 38 Prozent, doch das dynamischste Wachstum verzeichnet derzeit Asien.

In Deutschland werden jährlich knapp 1,7 Millionen Hörgeräte verkauft – nur Großbritannien liegt mit gut zwei Millionen Stück noch davor.

Der Absatz wird zusätzlich durch die Finanzierungssysteme der nationalen Gesundheitssysteme gestützt. In Deutschland übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Grundversorgung fast vollständig.

Hightech im Ohr: Kleine Geräte, große Entwicklungskosten

Doch der technologische Fortschritt hat seinen Preis. Die Hardware schrumpft, die Leistungsanforderungen explodieren. Künstliche Intelligenz, Sensorik, Sturzerkennung, biometrische Messungen, Bluetooth-Schnittstellen – moderne Hörgeräte sind längst multifunktionale Assistenzsysteme.

Geräte wie Starkeys „Edge AI“ übersetzen 72 Sprachen und schlagen bei Stürzen Alarm. Kostenpunkt: bis zu 5.000 Euro pro Stück.

Die Entwicklungsbudgets der großen Hersteller bewegen sich längst im dreistelligen Millionenbereich. Sonova und Demant investieren jeweils mehr als sechs Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Für Mittelständler wie Kind ist dieses Innovationsniveau auf Dauer kaum noch finanzierbar.

Lukrative Margen in einem regulierten Markt

Trotz hoher Entwicklungsaufwendungen bleibt das Geschäft hochprofitabel. Sonova erzielt operative Margen von über 21 Prozent, Demant knapp 20 Prozent, GN Store aus Dänemark meldet 12 Prozent.

Die Krankenkassen als größter Zahler bieten Planungssicherheit, der medizinische Nutzen der Produkte sorgt für stabile Nachfrage, und der Wunsch nach Premium-Funktionen schafft margenstarke Zusatzerlöse.

Versorgungslücke als Wachstumschance

Allein in Deutschland könnten die Verkaufszahlen sogar noch deutlich steigen. Rund elf Prozent der Bevölkerung leben mit einer relevanten Hörminderung, doch fast ein Drittel der Betroffenen lässt sich laut Bundesverband der Hörsysteme-Industrie bislang nicht versorgen. Demant und Kind sehen hier erhebliches Aufholpotenzial.

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