Wenn Politik das Thermometer regelt
Es ist kein satirischer Antrag, sondern eine offizielle Bundestagsforderung: Ab 26 Grad Raumtemperatur sollen Unternehmen in Deutschland gesetzlich verpflichtet werden, Ventilatoren bereitzustellen, die Arbeitszeit zu lockern, Pausen zu verlängern – und wenn all das nicht passiert, könnten Beschäftigte künftig einfach nach Hause gehen.
"Hitzefrei" am Arbeitsplatz – dieser Begriff, bislang der Schulzeit vorbehalten, soll nach dem Willen der Grünen in das Arbeitsrecht einziehen.
Von der Empfehlung zur Pflicht – ein Paradigmenwechsel
Zwar existieren bereits heute Regelungen: Ab 26 Grad empfiehlt die Arbeitsstättenverordnung gewisse Maßnahmen, ab 30 Grad werden sie verpflichtend. Doch der Vorschlag der Grünen geht weiter: Arbeitgeber müssten ab 26 Grad konkret handeln – und würden haftbar, wenn sie es nicht tun.
Mit dabei: Gratisgetränke, Ventilatoren, flexible Arbeitszeitmodelle und Schattenplätze. Kommen sie dem nicht nach, soll ein gesetzlich einklagbares Recht auf Arbeitsbefreiung gelten. Das hieße: Wer schwitzt, darf streiken – mit Rechtsgrundlage.
Pflege, Klima, Milliarden
Doch der Hitzefrei-Vorstoß ist nur Teil eines größeren Pakets. Die Grünen fordern auch ein Sonderförderprogramm für Pflegeeinrichtungen: 200 Euro pro pflegebedürftiger Person sollen in Hitzeschutz fließen, staatlich finanziert.
Zusätzlich sollen 650 Millionen Euro für 250 „Klimaanpassungsprojekte“ in Städten und ländlichen Regionen bereitgestellt werden. Ein Maßnahmenbündel, das weit über die Arbeitswelt hinausreicht – und nach Milliarden klingt, nicht nach Wasserflaschen im Büro.

Wirtschaft warnt vor Bürokratie
Die Reaktion aus der Wirtschaft ließ nicht lange auf sich warten. Verbände und Arbeitgebervertreter sehen eine drohende Welle neuer Bürokratie. Arbeitsrechtsexperten warnen vor schwer zu definierenden Schwellenwerten und juristisch kaum praktikablen Regelungen.
Denn was passiert, wenn das Thermometer in einem Großraumbüro nur in einer Ecke 26 Grad zeigt – in der anderen aber noch angenehme 23?
Klimaschutz oder Klimasymbolik?
Die Grünen argumentieren mit dem Schutz der Gesundheit. Die Fraktion spricht von einem „Schutzschirm gegen die Klimakrise“ und verweist auf zunehmende Hitzetote – über 8.000 allein im Sommer 2022.
Doch Kritiker sehen Symbolpolitik: Der Antrag sei weder in der Praxis umsetzbar noch juristisch belastbar. Und vor allem: Wer soll kontrollieren, ob das Büro zu warm ist – und was passiert, wenn ein Chef sich weigert, eine Klimaanlage zu installieren?
Wer soll das alles bezahlen?
650 Millionen für Klimaanpassung, 200 Euro pro Pflegebedürftigem, kostenlose Getränke in allen Betrieben – die Grünen geben keine exakte Finanzierungsquelle an. In Zeiten angespannter Haushalte dürfte das Begeisterungspotenzial im Bundesfinanzministerium begrenzt sein. Und die Ampel? Schweigt bislang.
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