Ein neuer Anstrich – mit europäischer Ambition
Seit dem 24. Juli firmiert die HanseMerkur Holding als SE – ein Schritt, den das Unternehmen selbst als „nächste Entwicklungsstufe“ beschreibt. Die Societas Europaea, kurz SE, ist eine Aktiengesellschaft nach europäischem Recht.
Und sie ist mehr als ein bloßes Etikett: Für die HanseMerkur ist sie vor allem ein Türöffner – für neue Märkte, neue Kunden und neue Margen.
Der Fokus liegt dabei klar auf der Reiseversicherung. In Deutschland ist das Unternehmen bereits Marktführer in diesem Segment. Jetzt will man die eigenen Produkte quer durch Europa etablieren – von Österreich über Italien bis in weitere, noch nicht genannte Zielmärkte.
Reiseversicherung als Wachstumsmotor
Das Geschäft mit der Absicherung von Reisen boomt seit dem Ende der Pandemie. Viele Verbraucher buchen wieder langfristiger, teurer und internationaler – und schützen sich entsprechend.
Doch obwohl die HanseMerkur 2024 ein Beitragsplus von neun Prozent im Reisesegment verbuchte, bleibt es im Konzernkontext ein vergleichsweise kleiner Bereich: 318 Millionen Euro Beitragseinnahmen bei insgesamt rund 2,7 Milliarden Euro Konzernvolumen.
Dennoch: In kaum einem anderen Versicherungsbereich lassen sich digitale Vertriebswege, einfache Policen und hohe Margen so gut verbinden wie hier. Genau deshalb wird das Reisesegment zum strategischen Hebel – und zur Eintrittskarte für mehr internationale Sichtbarkeit.

Warum eine SE? Und warum jetzt?
Mit der Umwandlung zur Europäischen Aktiengesellschaft will die HanseMerkur ein Signal setzen. Die Gesellschaftsform der SE erlaubt es, europaweit unter einheitlicher Rechtsstruktur zu agieren. Für Unternehmen mit Expansionsplänen ist das nicht nur organisatorisch attraktiv, sondern auch ein deutliches Bekenntnis zur Internationalisierung.
Vorstandschef Eberhard Sautter bringt es auf den Punkt: Die SE sei ein Ausdruck des eigenen Anspruchs, sich nicht länger auf Deutschland zu beschränken. Der Sitz in Hamburg bleibt zwar unverändert – rechtlich, organisatorisch und strukturell aber öffnet die neue Form viele Türen.
Ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt: Die SE kann Mitbestimmungsregeln „einfrieren“. Das bedeutet: Auch bei steigender Mitarbeiterzahl bleibt der Einfluss von Betriebsräten zunächst stabil – ein Punkt, der besonders mittelständischen Versicherern entgegenkommt.
Ein Schritt mit Strategie – aber auch mit Fragezeichen
Bislang betreibt die HanseMerkur eigene Büros in Österreich und der Schweiz, in Italien ist man per Niederlassungsfreiheit aktiv. Das Modell ist skalierbar, aber nicht ohne Risiken.
Denn während digitale Reiseversicherungen zwar unkompliziert klingen, ist der Wettbewerb in vielen Märkten hart. Besonders in südeuropäischen Ländern dominieren lokale Anbieter mit aggressiver Preispolitik.
Hinzu kommt: Die Marke HanseMerkur ist international kaum bekannt. Der Heimatbonus, der in Deutschland für Vertrauen sorgt, fehlt im Ausland. Ob sich das durch den neuen Rechtsmantel ändern lässt, wird sich zeigen. Markenaufbau kostet – und braucht Zeit.
Der SE-Effekt: Viel Symbolik, aber auch Substanz
Was nach juristischem Formwechsel klingt, ist in Wirklichkeit Teil einer klaren Wachstumsstrategie. Die SE ist kein Selbstzweck – sie soll der HanseMerkur ermöglichen, sich als europäischer Player neu zu positionieren, ohne dabei ihre mittelständische Identität aufzugeben.
Kritiker könnten sagen: Der Konzern verpasst seiner rechtlichen Hülle ein internationales Etikett, um damit klassische Expansionspläne zu legitimieren. Doch gerade in der konservativen Versicherungsbranche ist solch ein symbolischer Schritt selten. Und damit umso bemerkenswerter.
Hamburg bleibt Heimat – Europa wird Ziel
Die HanseMerkur will nicht über Nacht zur Allianz werden – aber sie will sich systematisch in Europa verankern. Die Reiseversicherung ist dabei das Pilotprojekt. Sollte der Plan aufgehen, könnte die SE-Struktur auch den Weg für weitere Geschäftsfelder ebnen.
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