27. Dezember, 2025

Finanzen

Größte Zinswende seit 2008: Wie Notenbanken die Märkte verändern

Die globale Geldpolitik kippt so stark wie seit mehr als 15 Jahren nicht mehr. Notenbanken auf der ganzen Welt senken 2025 ihre Leitzinsen in einem Tempo, das selbst erfahrene Marktbeobachter überrascht. Billigeres Geld trifft auf geopolitische Risiken, fragile Inflation und nervöse Währungen.

Größte Zinswende seit 2008: Wie Notenbanken die Märkte verändern
Zentralbanken senken 2025 die Zinsen so stark wie seit der Finanzkrise nicht mehr – mit Folgen für Gold, Währungen und Aktien.

Industrieländer vollziehen einen historischen Kurswechsel

2025 geht als Jahr der geldpolitischen Kehrtwende in die Geschichte ein. Neun der zehn wichtigsten Zentralbanken weltweit haben ihre Leitzinsen gesenkt. Insgesamt summiert sich die Lockerung in den Industrieländern auf rund 850 Basispunkte, verteilt auf 32 einzelne Zinsschritte. Eine derart breite und schnelle Abfolge von Zinssenkungen gab es zuletzt im Umfeld der Finanzkrise 2008 und der anschließenden Rezession 2009.

Beteiligt sind unter anderem die Federal Reserve, die Europäische Zentralbank und die Bank of England. Nach zwei Jahren aggressiver Straffung, ausgelöst durch Inflation und Energiekrise nach dem Ukraine-Krieg, schlägt das Pendel nun deutlich zurück.

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Auffällig ist jedoch der nachlassende Schwung zum Jahresende. Im Dezember senkten von neun Zentralbanken mit geldpolitischen Sitzungen nur noch zwei tatsächlich die Zinsen. Strategen wie Luis Oganes von JPMorgan warnen daher vor einem neuen Risikobild im Jahr 2026. Zinssenkungen seien nicht mehr gesetzt, vielmehr könne es in der zweiten Jahreshälfte wieder zu Erhöhungen kommen, falls Inflation oder Wachstum überraschen.

Schwellenländer öffnen die Geldschleusen noch weiter

Noch drastischer fällt die Lockerung in den Schwellenländern aus. Dort summieren sich die Zinssenkungen 2025 auf mehr als 3.000 Basispunkte, verteilt auf über 50 Maßnahmen. Allein im Dezember senkten acht Notenbanken ihre Leitzinsen um zusammen 350 Basispunkte. Länder wie die Türkei, Russland oder Thailand agierten deutlich offensiver als die Industriestaaten.

Der Grund liegt in der Inflationsentwicklung. Viele Schwellenländer hatten früher und härter auf Preissteigerungen reagiert und konnten diese schneller unter Kontrolle bringen. Zugleich bleibt das Bild uneinheitlich. Trotz der Lockerungswelle gab es auch Zinserhöhungen im Umfang von rund 625 Basispunkten. Analysten rechnen damit, dass Länder wie Brasilien oder Ungarn ihre Zyklen fortsetzen, während andere vorsichtiger werden.

Gold profitiert von Zinswende und geopolitischer Unsicherheit

Kaum ein Asset spiegelt das neue Umfeld so deutlich wider wie Gold. Der Preis nähert sich der Marke von 4.500 US-Dollar je Feinunze und erreichte zuletzt ein neues Rekordhoch. Seit Jahresbeginn liegt das Plus bei über 70 Prozent, der stärkste Anstieg seit Ende der 1970er-Jahre.

Mehrere Faktoren treiben die Rally. Sinkende Zinsen reduzieren die Opportunitätskosten für das zinslose Edelmetall. Gleichzeitig sorgen geopolitische Spannungen, Handelskonflikte und eine schrittweise Abkehr vom US-Dollar für zusätzliche Nachfrage. Besonders stark ist der Zufluss in physisch besicherte Gold-ETFs. Bis Oktober flossen rund 64 Milliarden Dollar in diese Produkte, allein im September über 17 Milliarden.

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Auch Zentralbanken kaufen weiter zu. Die chinesische Notenbank stockte ihre Reserven im November zum 13. Mal in Folge auf. Gold entwickelt sich damit erneut zum bevorzugten Absicherungsinstrument in einem Umfeld politischer und geldpolitischer Unsicherheit.

Japans Sonderweg belastet den Yen

Japan bleibt die große Ausnahme in der globalen Zinslandschaft. Während fast alle anderen Notenbanken lockern, hat die Bank of Japan die Zinsen 2025 zweimal erhöht und damit den höchsten Stand seit drei Jahrzehnten erreicht. Dennoch steht der Yen unter massivem Druck.

Der Grund ist die weiterhin enorme Zinsdifferenz zu den USA. Trotz der Anhebungen rentieren US-Anlagen deutlich höher, was Kapitalabflüsse begünstigt. Der Yen testete zuletzt erneut die Marke von 156 je Dollar. Finanzministerin Satsuki Katayama warnte offen vor übermäßigen Bewegungen und stellte eine Intervention in Aussicht. Kurzfristig stabilisierte das die Währung, änderte aber nichts am Grundproblem.

BOJ-Gouverneur Kazuo Ueda vermeidet klare Signale zum weiteren Zinspfad. Marktbeobachter gehen von einem sehr langsamen Kurs aus, mit möglichen Schritten erst im Verlauf des Jahres 2026. Solange die Realzinsen negativ bleiben, dürfte der strukturelle Abwärtstrend des Yen anhalten.

US-Konsumenten zeigen sich robuster als erwartet

Während Geldpolitik und Währungen schwanken, liefert der US-Verbrauch ein überraschend stabiles Bild. Vorläufige Daten von Visa und Mastercard zeigen, dass die Einzelhandelsumsätze in der Weihnachtssaison um rund vier Prozent gestiegen sind und damit über den Erwartungen lagen.

Konsumenten kauften früher ein, nutzten Rabatte und setzten verstärkt auf digitale Hilfsmittel zum Preisvergleich. Besonders gefragt waren Elektronik sowie Bekleidung und Accessoires. Der Online-Handel wuchs schneller als der stationäre, dennoch entfielen weiterhin fast drei Viertel aller Transaktionen auf physische Geschäfte. Für den Einzelhandel ist das ein wichtiges Signal in einem ansonsten angespannten konjunkturellen Umfeld.

Chinas Chipimporte verlieren an Tempo

Ein anderes Bild zeigt sich in China. Nach mehreren Monaten kräftigen Wachstums verloren die Importe von Halbleiterausrüstung im November spürbar an Schwung. Im Jahresvergleich sanken sie um acht Prozent, im Monatsvergleich sogar um 24 Prozent. Besonders stark betroffen war Lithographie-Ausrüstung, das Herz moderner Chipfertigung.

Auf Jahressicht bleibt der Trend dennoch positiv. Frühindikatoren wie Taiwans Exportaufträge zeigen weiterhin kräftige Zuwächse. Da Halbleiter bislang von US-Zöllen ausgenommen sind, profitieren Produzenten wie TSMC. Der jüngste Rückgang deutet eher auf einen kurzfristigen Momentumverlust als auf eine strukturelle Trendwende hin.

Ein neues Geldzeitalter mit alten Risiken

Die größte globale Zinswende seit der Finanzkrise schafft ein Umfeld, das Anleger lange nicht kannten. Niedrigere Zinsen stützen Bewertungen, treiben Sachwerte wie Gold und entlasten Schuldner. Gleichzeitig bleiben Inflation, Handelskonflikte und Währungsrisiken virulent.

Was als geldpolitische Erleichterung begann, entwickelt sich zu einem Balanceakt. Die Phase billigen Geldes ist zurück, aber sie kommt in einer Welt, die fragiler ist als zuvor. Genau darin liegt die Herausforderung des Jahres 2026.

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