05. Dezember, 2025

Unternehmen

Die stille Pleitewelle: Warum Deutschlands Billigshops massenhaft kippen

Die ostdeutsche Discountkette rutscht in die Insolvenz – ein Signal dafür, wie gnadenlos der Wettbewerb im unteren Preissegment geworden ist.

Die stille Pleitewelle: Warum Deutschlands Billigshops massenhaft kippen
Die ostdeutsche Handelskette Groschen-Markt ist insolvent – der Kampf im Niedrigpreissegment spitzt sich zu.

Die Regale sind voll, die Preise niedrig – doch der Kundenzustrom reichte nicht mehr aus. Groschen-Markt, eine der letzten regionalen Handelsketten aus Ostdeutschland, hat Insolvenzantrag gestellt. Der Betreiber DEC Handelsgesellschaft reagiert damit auf eine Marktverengung, die Nonfood-Discounter seit Jahren immer stärker unter Druck setzt. Die Konkurrenz hat sich professionalisiert, globalisiert – und eine traditionsreiche Kette trifft nun die volle Wucht eines strukturellen Wandels.

Ein Geschäftsmodell stößt an seine Grenzen

Groschen-Markt war lange ein Archetyp dessen, was im ländlichen Osten funktionierte: ein breites Sortiment, schnörkellose Preise und lokale Verankerung. Doch das Modell verliert an Halt. Wettbewerber wie Action und Woolworth expandieren aggressiv, mit Logistik- und Einkaufsvorteilen, die kleinere Anbieter kaum kompensieren können. Parallel wächst der Einfluss globaler Onlineplattformen wie Temu und Shein, die ultra-niedrige Preise mit Direktversand kombinieren und selbst Haushaltsware in Preisregionen drücken, die stationäre Händler nicht abbilden können.

Hinzu kommt die schwächelnde Konsumnachfrage. Nicht einmal Niedrigpreisprodukte sind immun gegen die Zurückhaltung vieler Haushalte, deren Budgets durch Energiepreise, Mieten und Lebensmittelkosten aufgezehrt wurden. Die Folge: Das Nonfood-Geschäft bröckelt – und die betriebliche Grundlage des Unternehmens gleich mit.

Insolvenz als Übergang – oder als Endpunkt?

Das Amtsgericht Mühlhausen bestellte Olaf Spiekermann von Brinkmann & Partner zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Sein Ziel sei der Erhalt der Kette, betont er. Der Geschäftsbetrieb soll zunächst weiterlaufen, Löhne und Gehälter sind über das Insolvenzgeld bis Ende Februar gesichert. Für die rund 200 Mitarbeitenden ist das eine Atempause, aber keine Garantie. Bereits in den vergangenen Wochen kam es zu ersten Filialschließungen.

Groschen-Markt ist nicht irgendein Händler. Die 1993 gegründete Kette hat in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg eine lokale Präsenz aufgebaut, die in vielen Kleinstädten eine wichtige Versorgungsfunktion erfüllt. Dass dieses Modell auf der Kippe steht, zeigt, wie weit sich der Markt vom ursprünglichen Discountprinzip entfernt hat.

Strukturelle Belastungen treffen kleine Händler besonders hart

Die Probleme sind nicht neu. Schon 2023 warnte der Warenkreditversicherer Atradius vor einer „heiklen Lage“ im Nonfood-Discount. Steigende Mindestlöhne, höhere Personalkosten und anhaltende Inflation treffen Ketten, die kaum Preisaufschläge durchsetzen können, besonders hart. Hinzu kommen Mietsteigerungen, die für Flächen-intensive Geschäftsmodelle schnell existenzbedrohend werden.

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International orientierte Anbieter verschärfen den Wettbewerb zusätzlich. Action etwa nutzt seine europaweite Einkaufsmacht, um Margen zu erzielen, die für regionale Ketten unerreichbar sind. Und die chinesischen Plattformen dringen mit einer Geschwindigkeit in den Markt, die selbst große Handelsunternehmen überrascht hat. Atradius prognostizierte bereits damals: Am Ende könnten nur noch „eine Handvoll Anbieter“ bestehen bleiben.

Ein Beispiel für den Wandel im deutschen Einzelhandel

Die Insolvenz von Groschen-Markt steht nicht isoliert. Sie fügt sich ein in eine Reihe von Marktbereinigungen im unteren Preissegment, das sich von einer regionalen Handelslandschaft zu einem globalen Wettbewerbsschauplatz entwickelt hat. Für viele Kommunen bedeutet das potenziell weniger Vielfalt und eine größere Abhängigkeit von wenigen Handelsketten.

Ob Groschen-Markt einen Käufer findet oder sich in verkleinerter Form stabilisieren kann, hängt nun davon ab, ob sich ein tragfähiges Konzept gegen den Preis- und Kostendruck entwickeln lässt. Sicher ist nur: Das Niedrigpreissegment verlangt Skalenvorteile, kompromisslose Effizienz – und die Bereitschaft, mit digitalen Billiganbietern zu konkurrieren, die kaum strukturelle Kosten tragen.

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