18. August, 2025

Märkte

Goldrausch mit Katerstimmung – der Whisky-Markt kämpft mit dem Hangover

Nach Jahren des Booms geraten viele Brennereien unter Druck. Produktionskürzungen, Rabattaktionen und Stilllegungen zeigen: Der Markt ist übersättigt. Und das hat Folgen – für Genießer, Anleger und Hersteller.

Goldrausch mit Katerstimmung – der Whisky-Markt kämpft mit dem Hangover
Insbesondere junge Brennereien, die auf Lifestyle statt Lagerzeit setzten, spüren die Kaufzurückhaltung. Der Markt verlangt wieder Herkunft und Handwerk.

Die Brennblasen dampften, die Regale bogen sich unter Flaschen voller Hoffnung. Noch vor wenigen Jahren boomte die Whisky-Branche wie kaum eine andere: Weltweit wurde gebaut, gebrannt, gesammelt. Der Single Malt wurde zum Statussymbol, Whisky zur Wertanlage, Destillerien zu Goldgruben.

Doch jetzt ist die Party vorbei.

Die Euphorie ist verdampft

Was Branchenbeobachter schon länger vermuteten, ist eingetreten: Der globale Whisky-Markt hat seine Spitze überschritten. In Schottland, Irland, Japan und den USA melden Destillerien rückläufige Verkaufszahlen. Einige stellen den Betrieb ein, andere kürzen drastisch die Produktion. Sonderangebote im Fachhandel und Online-Shops sind kein Geheimtipp mehr, sondern Normalität.

Insbesondere junge Brennereien trifft es hart. Viele davon wurden auf dem Höhepunkt des Booms gegründet und haben bis heute kaum gereifte Qualitäten im Portfolio. Ihre Storytelling-getriebenen Marken treffen nun auf ein preissensibleres Publikum, das statt auf Marketing lieber wieder auf Geschmack setzt.

Wenn Nachfrage auf Nüchternheit trifft

Die Ursachen für die aktuelle Marktkorrektur sind vielfältig:

  • Überproduktion in Erwartung ständig steigender Nachfrage,
  • eine Sättigung auf der Sammlerseite,
  • und eine jüngere Generation, die sich zunehmend für andere Spirituosen oder alkoholfreie Alternativen interessiert.

Der Markt wurde mit "NAS" (No Age Statement) Whiskys überschwemmt, die oft teuer, aber geschmacklich flach waren. Die Kundschaft, über Jahre zum Kenner geworden, hat das erkannt. Wer für einen 3-jährigen Whisky 70 oder gar 100 Euro verlangt, wird heute ausgelacht.

Destillerien wie GlenWyvis und Kingsbarns meldeten 2025 Produktionspausen – auch Traditionshäuser wie Glen Scotia senkten ihre Output-Pläne.

Sammler sitzen auf Flaschenbergen

Auch auf dem Zweitmarkt für Whisky zeigt sich die Ernüchterung. Viele Flaschen, die einst als Wertanlage gekauft wurden, erzielen heute deutlich geringere Preise. Der "Whisky als Aktie"-Gedanke hat Risse bekommen. Wer nicht genau wusste, was er tat, sitzt nun auf kostspieligem Liquid, das sich nur noch schwer zu Geld machen lässt.

Der Goldrausch von 2020 bis 2022 hat manchem Anleger schöne Geschichten beschert, aber selten reale Gewinne. Whisky braucht Zeit – nicht nur im Fass, sondern auch im Investment. Und wie bei jeder Anlageklasse gilt: Rendite ohne Risiko gibt es auch hier nicht.

Gute Zeiten für Genießer

Für echte Whiskyfreunde könnte die Delle sogar ein Glücksfall sein. Denn mit dem Rückgang der Spekulation normalisieren sich auch die Preise für hochwertige Tropfen. Wer auf gut gereifte Abfüllungen mit 15, 18 oder 21 Jahren setzt, bekommt derzeit viel Genuss für vergleichsweise wenig Geld.

Hinzu kommt: Die Vielfalt bleibt. Auch wenn einige Brennereien die Produktion pausieren oder Projekte scheitern, gibt es nach wie vor eine große Zahl etablierter Hersteller mit beeindruckendem Portfolio.

Die Zukunft: Weniger Blend, mehr Substanz

Branchenkenner wie Frank Jerger, Betreiber eines Frankfurter Whisky-Fachhandels, raten zur Nüchternheit. „Wer sich auskennt, kann jetzt richtig gute Käufe machen. Aber der Hype ist vorbei. Jetzt zählen Qualität, Herkunft und Reifezeit wieder mehr als Influencer-Marketing oder schicke Etiketten."

Was folgt, ist wohl eine Phase der Konsolidierung. Einige Namen werden verschwinden, andere sich neu positionieren. Langfristig dürfte das dem Markt guttun. Der Whisky-Markt wird wieder das, was er einst war: ein Ort für Geduldige, Genießer und echte Kenner.

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