Gold notiert auf historischem Niveau – und wirkt dennoch nicht unangreifbar. Nach einem außergewöhnlich starken Jahr 2025 stellt sich für Investoren eine unbequeme Frage: Ist der Preis bereits zu weit gelaufen oder beginnt erst die nächste Phase des Zyklus? Die Antwort fällt differenziert aus. Denn vieles spricht für Gold – aber nicht alles.
Gold profitiert von Misstrauen gegenüber Geldpolitik
Der langfristige Rückenwind für Gold speist sich aus einem strukturellen Vertrauensverlust. Seit der Finanzkrise haben Notenbanken ihre Bilanzen massiv ausgeweitet, reale Zinsen über Jahre negativ gehalten und staatliche Verschuldung indirekt stabilisiert. Spätestens seit der Pandemie gilt Geldpolitik nicht mehr als neutraler Ordnungsrahmen, sondern als politisches Instrument.
Für Anleger bedeutet das: Zentralbankgeld wird zunehmend als instabil wahrgenommen. Gold profitiert von dieser Skepsis – ebenso wie alternative Wertaufbewahrungsmittel. Entscheidend ist dabei weniger die aktuelle Inflationsrate als die Erwartung, dass Geldmengenwachstum dauerhaft über dem realen Wirtschaftswachstum liegt.

Inflationsargumente tragen nur begrenzt
So plausibel die Inflationsangst klingt, sie ist kein verlässlicher Goldtreiber. Historisch zeigt sich ein anderes Muster: Steigt Inflation nachhaltig, reagieren Notenbanken mit Verzögerung, aber entschlossen. Die Folge sind höhere reale Zinsen – und genau die wirken negativ auf den Goldpreis.
Inflation durch Zölle, geopolitische Schocks oder Rohstoffknappheit führt nicht automatisch zu einer goldfreundlichen Umgebung. Im Gegenteil: Wenn steigende Preise die Notenbanken zur Straffung zwingen, steigen Renditen. Gold verliert dann an relativer Attraktivität.
Die Geschichte spricht gegen dauerhaft lockere Geldpolitik
Die 1970er-Jahre gelten vielen Gold-Anhängern als Blaupause. Doch das Ende dieser Phase wird oft ausgeblendet. Die expansive Geldpolitik führte letztlich zu massiver Inflation – und in der Folge zu extrem hohen Realzinsen Anfang der 1980er-Jahre. Gold brach damals ein.
Keine Notenbank kann dauerhaft höhere Inflation tolerieren, ohne ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren. Wer darauf setzt, dass lockere Geldpolitik dauerhaft niedrige Renditen ermöglicht, setzt auf eine Illusion. Gold lebt von Unsicherheit – nicht von Stabilität auf hohem Inflationsniveau.
Der aktuelle Goldpreis liegt über dem Fundament
Rein fundamental betrachtet wirkt Gold ambitioniert bewertet. Modelle, die globale politische Unsicherheit, US-Renditen und den Dollar berücksichtigen, verorten den fairen Wert derzeit unter dem Marktpreis. Das deutet auf Übertreibung hin – zumindest kurzfristig.

Doch Märkte sind vorausschauend. Entscheidend ist nicht, ob Gold heute teuer ist, sondern ob sich die fundamentalen Treiber in den kommenden Quartalen weiter zugunsten des Edelmetalls verschieben.
Der US-Dollar wird zum Schlüssel für 2026
Der stärkste Hebel für Gold bleibt der US-Dollar. Eine deutliche Dollar-Schwäche würde Gold unabhängig von Inflation oder geopolitischen Schlagzeilen nach oben treiben. Genau hier liegt das zentrale Risiko – und die zentrale Chance.
Politischer Druck auf die US-Notenbank, eine Abkühlung der US-Wirtschaft oder eine erneute Debatte über die Schuldentragfähigkeit der USA könnten den Dollar belasten. In diesem Umfeld wäre selbst ein bereits hoher Goldpreis kein Hindernis für weitere Zugewinne.
Drei Szenarien zeigen die Spannbreite
Die Bandbreite möglicher Entwicklungen ist groß, auch ohne extreme Annahmen. Bleiben Renditen, Dollar und Unsicherheit auf dem aktuellen Niveau, rechtfertigt das einen Goldpreis nahe der heutigen Marke. Eine robuste US-Wirtschaft mit steigenden Renditen würde Gold dagegen deutlich unter Druck setzen.
Umgekehrt eröffnet eine schwache Konjunktur Spielraum nach oben. Sinkende Renditen, ein schwächerer Dollar und wachsende politische Unsicherheit könnten Gold bis in den Bereich von 4.500 US-Dollar treiben. Die Spanne von rund 1.000 Dollar pro Feinunze ist realistisch – selbst bei moderaten Annahmen.
Gold bleibt attraktiv, aber nicht alternativlos
Für 2026 spricht vieles für einen stabilen bis steigenden Goldpreis. Das Abwärtsrisiko erscheint begrenzt, solange die US-Wirtschaft an Dynamik verliert und die Geldpolitik unter politischen Druck gerät. Ein weiterer Anstieg um rund zehn Prozent ist plausibel, ohne dass extreme Szenarien eintreten müssen.
Große Sprünge wie im Jahr 2025 erfordern jedoch klare Katalysatoren. Gold ist kein Selbstläufer. Es bleibt ein sensibler Indikator für Zinsen, Vertrauen und politische Risiken – und genau darin liegt seine Stärke, aber auch seine Grenze.



