Apple hat am Montagabend das größte Design-Update seiner Geschichte vorgestellt – und gleichzeitig ein Statement der Zurückhaltung bei einem der wichtigsten Tech-Themen der Gegenwart abgegeben: Künstliche Intelligenz.
Formschön, aber wenig visionär
Die neue Designsprache nennt sich "Liquid Glass" und bringt flüssige Transparenz, Glanzeffekte und adaptive Animationen in das Interface aller Apple-Geräte. Eine Hommage an das Betriebssystem der Vision Pro, Apples ambitionierter Datenbrille.
Federighi nennt es "genussvoll". Alan Dye spricht vom „umfangreichsten Design-Update aller Zeiten“. Das klingt groß. Und sieht auch so aus.
Doch während das Auge jubelt, schweigt das Gehirn. Apples Flaggschiff bei der WWDC ist ein UI-Upgrade – nicht der erwartete Durchbruch bei Siri oder "Apple Intelligence".
Die Live-Übersetzungen in Telefonaten und der Hotline-Assistent sind nett, aber nicht annähernd so disruptiv wie Googles Gemini oder ChatGPT Voice. Von generativer KI, multimodalen Dialogsystemen oder On-Device-AI in Echtzeit war kaum die Rede.
Der Elefant im Glaszimmer
"Apple Intelligence war der Elefant im Raum", sagt Analyst Leo Gebbie von CCS Insight. Apple könnte das Unternehmen mit der größten On-Device-Userbase für KI-Anwendungen sein.

Doch der Konzern zögert – aus Datenschutzgründen, aber auch aus technischer Vorsicht. Die versprochene Siri-Revolution wurde erneut verschoben. Das erklärt auch, warum die Sprachassistentin auf der WWDC fast nicht vorkam.
Dabei hätte Cupertino das Momentum dringend nötig. Die KI-Offensive von Google und OpenAI setzt neue Standards. Samsung integriert KI tief ins Android-Interface. Microsoft stellt den Copilot ins Zentrum aller Windows- und Office-Produkte. Und Apple? Lässt sich Zeit.
Design statt Disruption?
Apple wechselt mit iOS 26 zur neuen Nummernlogik, bringt Glas-Optik in die Kamera-App, überarbeitet Steuerelemente, Symbolleisten und Navigation. Alles sehr durchdacht, sehr ästhetisch – aber am Ende auch: sehr 2023.
Der Verzicht auf einen echten KI-Wurf ist nicht nur strategisch, sondern auch erzählerisch ein Problem. Apple erzählt seinen Nutzern normalerweise Geschichten von Revolutionen. Von Paradigmenwechseln. Diesmal war es eher eine Geschichte von gepflegter Stagnation auf hohem Niveau.
Apple muss liefern – und zwar bald
Analysten erwarten spätestens zum iPhone-Launch im Herbst ein Update in Sachen KI. Auch ein eigenes LLM (Large Language Model) könnte noch kommen. Derzeit sind Kooperationen mit Google oder OpenAI im Gespräch.
Sollte Apple aber erneut nur optische Neuerungen zeigen, könnte das Unternehmen in einer Disziplin, die es einst erfand – Innovation – ernsthaft Boden verlieren.