Bundespolizeibericht zeigt deutlichen Anstieg bei Gewalt- und Sexualdelikten
Die Sicherheit an Bahnhöfen und in Zügen steht wieder im Fokus – und die neuen Zahlen der Bundespolizei erklären warum. Sexualdelikte, Messerangriffe, Attacken auf Einsatzkräfte: In fast allen relevanten Kategorien steigen die Fallzahlen deutlich. Nur die Gesamtkriminalität sinkt – aber aus Gründen, die mit der Realität auf Bahnsteigen wenig zu tun haben.
Sexualdelikte steigen fast um ein Fünftel
Die Zahl der Sexualstraftaten im Bahnbereich nimmt 2024 um 19,2 Prozent zu. Insgesamt registriert die Bundespolizei 2.262 Fälle, mehr als die Hälfte davon sexuelle Belästigungen. Schwerere Taten – Übergriffe, Nötigungen, Vergewaltigungen oder der Missbrauch Minderjähriger – machen zwar nur gut fünf Prozent aus, liegen aber ebenfalls über dem Vorjahreswert.

Die Zahlen zeigen eine Entwicklung, die Bahnbetreiber seit Jahren zu erklären versuchen: Längere Betriebszeiten, dichterer Verkehr und überfüllte Knotenpunkte erhöhen das Risiko für Übergriffe. Doch Ursachenanalyse bleibt ein politisch sensibler Raum – und ein klares Gegenkonzept ist bisher nicht erkennbar.
Gewaltstraftaten nehmen zu – Messerangriffe besonders auffällig
Mit 27.160 Gewaltstraftaten verzeichnet die Bundespolizei ein Plus von fast sechs Prozent. Besonders brisant ist die Zahl der Messerangriffe: 609 Fälle bedeuten einen Anstieg von 9,7 Prozent. Viele dieser Taten ereignen sich in Verkehrsknotenpunkten, wo sich Täter und Opfer in engen Räumen begegnen und Einsatzkräfte oft Sekundenbruchteile reagieren müssen.
Dass „Dinge des täglichen Gebrauchs“ – Flaschen, Steine, improvisierte Werkzeuge – bei jedem achten Angriff als Tatmittel eingesetzt werden, deutet auf ein zweites Problem hin: Spontane Eskalationen nehmen zu. Die Bahn wird so zu einem Mikrokosmos gesellschaftlicher Konflikte, in dem Aggressionsschwellen sinken.
Angriffe auf Bundespolizisten steigen erneut
Die Zahl der Attacken auf Polizisten im Bahnbereich erhöht sich um 10,2 Prozent auf 2.230 Fälle. Das sind im Schnitt mehr als sechs Angriffe pro Tag. Dass bei jedem achten Vorfall Gegenstände zum Einsatz kommen, verweist auf eine zunehmend aggressive Grundhaltung gegenüber Einsatzkräften.
Für die Bundespolizei wird damit ein Dilemma sichtbar: Mehr Präsenz soll Sicherheit schaffen – gleichzeitig macht sie Beamte zur Zielscheibe. Der Ressourcenaufwand steigt, ohne dass die Situation nachhaltig stabiler wird.
Weniger Gesamtkriminalität – aber aus einem Sondereffekt
Trotz der steigenden Gewalt sinkt die Gesamtzahl der Straftaten im Bahnbereich um 10,1 Prozent auf 381.894 Fälle. Noch deutlicher fällt der Rückgang im gesamten Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei aus: 18,8 Prozent weniger Straftaten, insgesamt 641.613 Fälle.

Der Grund hat jedoch wenig mit einem sichereren Alltag zu tun. Ausschlaggebend ist der massive Rückgang bei Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz. Illegale Einreisen gehen um ein Drittel zurück, von 127.549 auf 83.572 Fälle. Entscheidend dafür sind die zeitweise wieder eingeführten Binnengrenzkontrollen – ein politisches Instrument, das die Statistik verändert, aber nichts an der Lage auf Bahnsteigen ändert.
Die Bahn als Brennglas gesellschaftlicher Spannungen
Die Zahlen zeigen ein zweigeteiltes Bild: weniger registrierte Straftaten insgesamt, aber deutlich mehr Fälle in den Bereichen, die für das subjektive Sicherheitsempfinden zentral sind. Sexualdelikte, Messerangriffe, Gewalt gegen Einsatzkräfte – diese Kategorien prägen das Klima an Bahnhöfen und Zügen wesentlich stärker als statistische Rückgänge bei Grenzdelikten.
Die Herausforderung für Polizei, Politik und Bahn ist klar: Die strukturelle Sicherheit muss schneller steigen als die Belastung des Systems. Doch bislang steigt vor allem eines – die Zahl der Menschen, die sich im öffentlichen Verkehr nicht mehr sicher fühlen.



