Ein Plan, der Kiew eiskalt trifft
Kaum war die Meldung veröffentlicht, überschlugen sich Diplomaten und Regierungsstellen mit Reaktionen – und Nicht-Reaktionen. Berichten zufolge haben Vertreter der USA und Russlands hinter verschlossenen Türen einen Rahmenentwurf für ein mögliches Kriegsende erarbeitet.
Die Forderungen an die Ukraine sind so einschneidend, dass sie einem politischen Beben gleichkommen:
- Räumung der restlichen Teile von Donezk und Luhansk,
- Halbierung der ukrainischen Armee,
- Anerkennung des Russischen als Staatssprache,
- Wiederzulassung der prorussischen orthodoxen Kirche.
Für ein Land, das seit fast vier Jahren gegen einen existenziellen Angriffskrieg kämpft, wirkt diese Liste wie ein bitterer Rückfall in die geopolitische Realität vor dem 24. Februar 2022.

Verhandler im Hintergrund – Dementis im Vordergrund
Laut den Recherchen von Financial Times, Reuters und dem US-Portal Axios soll der Entwurf Ende Oktober zwischen Steve Witkoff, Sondergesandter von Präsident Trump, und Kirill Dmitrijew, einem hochrangigen Kreml-Unterhändler, abgestimmt worden sein.
Der ukrainische Sicherheitsratschef Rustem Umjerow soll informiert worden sein – wenn auch eher am Rande als auf Augenhöhe.
Der Kreml hingegen bestreitet alles. Sprecher Dmitri Peskow erklärte, es gebe keine neuen Vorschläge. Man halte sich an das, was Trump und Putin beim Alaska-Gipfel besprochen hätten.
Das Problem: Genau dieses Treffen liefert die Grundlage für die nun kursierenden Punkte.
Eine Demilitarisierung, die Kiew schwächen würde
Die geforderten Zugeständnisse überschneiden sich stark mit langjährigen russischen Maximalforderungen. Besonders brisant ist der Vorstoß, die Armee zu halbieren und ihre Waffenreichweite zu begrenzen.
Damit wäre die Ukraine nicht mehr in der Lage, Russlands Militärinfrastruktur wirksam anzugreifen oder zukünftige Angriffe abzuwehren. Praktisch würde das Land in eine strategische Abhängigkeit gedrängt – eine „Neutralität“, die Russland wirkungsvoll dominieren könnte.
Die eingefrorene Frontlinie entlang Saporischschja und Cherson käme einer Anerkennung territorialer Fakten gleich.
Militärisch unter Druck – innenpolitisch angeschlagen
Für die Ukraine ist der Zeitpunkt denkbar schlecht.
- Im Osten droht der Fall von Pokrowsk, einer symbolisch wie operativ wichtigen Stadt.
- Weitere Gebietsverluste im Süden und im Donbass haben die Verteidigungslinien ausgedünnt.
- Gleichzeitig erschüttert eine Korruptionsaffäre das Umfeld Selenskyjs.
Bereits zwei Minister mussten zurücktreten, und selbst Andrij Jermak, der mächtige Leiter des Präsidentenbüros, steht zur Disposition.
In dieser Lage wirkt jeder Hinweis auf amerikanisch-russische Gespräche wie eine politische Zange: militärischer Druck von außen, politischer Druck von innen.
Trump pokert – harte Sanktionen und neue Gesprächskanäle
Trump hatte Russland zuletzt mit Sanktionen gegen Rosneft und Lukoil überrascht – ein Schritt, der als Durchsetzungskraft gegen Putin interpretiert werden sollte. Gleichzeitig bemüht sich sein außenpolitisches Team um mögliche „realistische“ Endspiel-Szenarien für den Krieg.
US-Außenminister Marco Rubio erklärte auf X, Washington arbeite an Ideen für einen Frieden „basierend auf Beiträgen beider Konfliktparteien“.
Was als diplomatisches Signal gedacht ist, klingt in der Ukraine wie:
„Bereitet euch auf Kompromisse vor.“
Europa schaut zu – und versteht wenig
Besonders heikel:
In Brüssel und europäischen Hauptstädten ist man weder informiert noch eingebunden.
EU-Vertreter sprechen hinter vorgehaltener Hand von einem „Informationsvakuum“, andere von einer „neuen amerikanischen Eigenlogik“, in der Verbündete nur Randfiguren sind.
Ein EU-Diplomat wird bei Politico mit einer bitteren Einschätzung zitiert:
„Selenskyj wird irgendwann einlenken müssen. Der Druck ist zu groß – militärisch, politisch, wirtschaftlich.“
Die USA agieren, Russland agiert – Europa reagiert.

Und Selenskyj? Zwischen Dank und Drohung
Offiziell gibt es keine ukrainische Antwort auf die Berichte. Inoffiziell bleibt der Ton angespannt.
Selenskyj appellierte an Trump, „einen gerechten Frieden“ zu ermöglichen, und nannte die USA die einzige Macht, die den Krieg wirklich beenden könne.
Gleichzeitig zeigte er sich offen für neue Gesprächsformate – dankte Erdogan für die Vermittlungsbereitschaft der Türkei und erwähnte indirekt Katar und Ankara als mögliche Gastgeber einer neuen Verhandlungsrunde.
Doch Klartext meidet er. Ein öffentliches Nein könnte Washington verprellen, ein öffentliches Ja würde innenpolitisch als Kapitulation gelten.
Ein Plan mit globalen Konsequenzen
Was sich abzeichnet, ist mehr als ein Friedensentwurf. Es ist ein geopolitischer Test:
Wie weit reichen amerikanische Interessen?
Wie viel Einfluss behält Europa?
Und welchen Preis ist die Ukraine bereit zu zahlen, um den Krieg zu beenden?
Die Enthüllung der geheimen Gespräche zeigt eines:
Der Konflikt hat längst die Phase verlassen, in der Kiew allein über sein Schicksal entscheiden kann.



