Der Machtkonflikt tritt offen zutage
Der größte Aktionär von HUGO BOSS stellt sich gegen den eigenen Aufsichtsratschef. Die Frasers Group, mit rund 25 Prozent am Unternehmen beteiligt, entzog Stephan Sturm offiziell die Unterstützung – ein Schritt, den der Modekonzern selbst am Freitagabend in einer Pflichtmitteilung publik machte. Die Nachricht sorgt für maximale Irritation, weil Sturm nach Angaben des Unternehmens weiterhin fest entschlossen sei, den Vorsitz auszuüben.
Die Diskrepanz zwischen beiden Darstellungen ist ungewöhnlich deutlich. Laut Frasers habe Sturm signalisiert, den Posten ohne Rückhalt des Großaktionärs nicht weiterführen zu wollen. Gleichzeitig erklärt der Konzern, seine Verantwortung „fest wahrnehmen“ zu wollen. Der doppelte Kommunikationsstrang lässt offen, wie belastbar das Verhältnis zwischen Aufsichtsrat und Anteilseigner noch ist.

Frasers will die Zusammensetzung des Aufsichtsrats verändern
Der Vorstoß des britischen Investors ist mehr als eine Meinungsäußerung. Frasers kündigt an, aktiv Einfluss auf die Besetzung des Aufsichtsrats zu nehmen und notfalls eine Abberufung Sturms anzustreben. Ein solcher Schritt würde die Governance-Struktur des Unternehmens unmittelbar verändern – und die Machtbalance im Kontrollgremium neu ordnen.
Die Motivation des Investors bleibt bislang unklar. Frasers hatte seine Beteiligung an HUGO BOSS in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebaut und sich damit eine dominante Stellung gesichert. Die Entscheidung, den eigenen Kandidaten nicht länger zu stützen, deutet auf strategische Differenzen hinter den Kulissen hin. Ob es um Tempo, Ausrichtung oder Kontrolle geht, ist offen – doch der Zeitpunkt spricht dafür, dass Frasers seinen Einfluss konkreter nutzen will.

Der Konzern versucht das Signal zu entschärfen
HUGO BOSS reagierte am Freitagabend mit einer eigenen Stellungnahme, die den Eindruck eines stabilen Aufsichtsgremiums vermitteln soll. Das Unternehmen betont Sturms Absicht, sein Amt „weiter auszuüben“, und vermeidet jede Andeutung eines internen Konflikts. Doch der Widerspruch zur Mitteilung des Großaktionärs bleibt bestehen und wirft Fragen auf, wie stark die Position des Aufsichtsratschefs tatsächlich ist.
Für den Kapitalmarkt ist Transparenz entscheidend. Und genau daran mangelt es derzeit. Zwei widersprüchliche Botschaften innerhalb einer Stunde stärken weder das Vertrauen der Investoren noch die Handlungsfähigkeit des Aufsichtsrats.
Die Aktie reagiert unmittelbar auf die Unsicherheit
Noch am Abend rutschte der Kurs im nachbörslichen Handel auf Tradegate zeitweise um 0,44 Prozent auf 38,55 Euro – ein moderater, aber klarer Hinweis darauf, dass Anleger den Vorgang nicht als rein formale Differenz sehen. Die Aktie hatte bereits zuvor unter schwächeren Branchenstimmungen gelitten. Zusätzliche Zweifel an der Stabilität der Unternehmensführung kommen zur Unzeit.
Wie sich der Konflikt entwickelt, hängt nun davon ab, ob Frasers seine Ankündigung umsetzt und formelle Schritte im Gremium einleitet – und ob der Aufsichtsrat geschlossen hinter seinem Vorsitzenden steht. Sicher ist nur: Die bisherige Ruhe in der Unternehmensführung ist vorbei.



