Politisches Beben in Paris
Frankreich erlebt ein Szenario, das an Dramatik kaum zu überbieten ist: Schon der vierte Premierminister innerhalb von zwei Jahren steht vor dem Sturz. François Bayrou will im Parlament die Vertrauensfrage stellen – mit äußerst ungewissem Ausgang.
Scheitert er, muss Präsident Emmanuel Macron handeln: entweder ein neuer Premier oder Neuwahlen. Beide Varianten bergen für die Finanzmärkte Sprengkraft.
„Die politische Instabilität ist inzwischen beispiellos“, sagt Michaël Nizard vom französischen Investmenthaus Edmond de Rothschild. Der Fondsmanager beobachtet die Entwicklung aus nächster Nähe – sein Büro liegt nur wenige Meter vom Élysée-Palast entfernt. Für ihn ist klar: Die Märkte verlangen inzwischen einen Aufschlag, wenn es um französische Papiere geht.

Nervöse Märkte, schwacher CAC 40
Die Nervosität zeigt sich längst in den Kursen. Ende August sackte der Leitindex CAC 40 um zwei Prozent ab, Bankaktien wie BNP Paribas und Société Générale verloren zeitweise mehr als acht Prozent an nur einem Tag.
Auch die Risikoaufschläge am Anleihemarkt steigen: Der Spread zwischen französischen und deutschen Staatsanleihen kletterte auf 85 Basispunkte – ein Niveau, das Italien-Feeling aufkommen lässt.
Für Investoren ist das mehr als ein Warnsignal. „Sollten Neuwahlen kommen, droht eine weitere Abwärtswelle“, warnt Nizard. Noch haben viele Marktteilnehmer dieses Szenario nicht vollständig eingepreist.
Frankreichs strukturelles Problem: die Schulden
Die Regierungskrise ist nur das Symptom – die Ursachen liegen tiefer. Frankreich gehört zu den hochverschuldeten Staaten Europas. Das jährliche Defizit liegt bei fast sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts, doppelt so hoch wie die EU-Maastricht-Grenze. Bis 2026 dürfte die Staatsverschuldung auf fast 120 Prozent des BIP steigen.

Ein besonderes Problem: Die Zinslast explodiert. Bereits 2025 wird Frankreich 66 Milliarden Euro allein für Schuldendienst aufbringen müssen – der größte Posten im Budget, noch vor Verteidigung und Bildung.
Premier Bayrou hatte im Sommer versucht, mit einem Sparpaket von 44 Milliarden Euro gegenzusteuern, inklusive eingefrorener Renten und gestrichener Steuervergünstigungen. Doch statt Zustimmung erntete er politischen Widerstand – und löste damit die aktuelle Regierungskrise aus.
Märkte im Wartezustand
Banken, Baukonzerne und Energieversorger mit hohem Inlandsanteil leiden besonders unter der Unsicherheit. Konzerne mit globalem Geschäft wie LVMH oder TotalEnergies sind dagegen stabiler, da mehr als 80 Prozent der Umsätze französischer Großunternehmen aus dem Ausland stammen.
Analysten von Amundi sehen deshalb auch Chancen: Französische Aktien seien im Vergleich zu US-Titeln günstig bewertet. Kurzfristig dominierten politische Risiken, langfristig böten die globalen Champions des Landes jedoch Potenzial.

Der gefährlichste Fall: Neuwahlen
Das Worst-Case-Szenario bleibt eine Parlamentsauflösung. Neuwahlen könnten extremen politischen Kräften Auftrieb geben – und damit Investoren endgültig verschrecken.
„Dann verlangen die Märkte eine noch höhere Risikoprämie“, sagt Nizard.
Die Folge wären steigende Anleihe-Spreads, sinkende Kurse und eine Frankreich-Börse, die der europäischen Konkurrenz weiter hinterherläuft.
Stärkeres Ende: Die Märkte setzen Macron unter Druck
Die Krise ist längst nicht mehr nur innenpolitisch. Sie ist eine Frage der Glaubwürdigkeit Frankreichs an den internationalen Kapitalmärkten. Am Montag entscheidet sich, ob Bayrou fällt – und ob Macron die Stabilität retten kann oder ob Europas zweitgrößte Volkswirtschaft in eine neue Runde politischer Turbulenzen rutscht. Für Investoren ist klar: Frankreich steht am Scheideweg.
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