Pedro hat seit drei Wochen keine volle Kolonne mehr auf dem Feld. Der 42-Jährige stammt aus Mexiko, lebt seit sieben Jahren ohne Papiere in Florida und arbeitet als Supervisor auf einer Avocadofarm nahe Homestead, südlich von Miami.
„Die Leute haben Angst. Viele sind gegangen, manche kommen gar nicht mehr“, sagt er. Was Pedro meint, ist die neue Migrationspolitik der Republikaner in Florida – und deren Folgen, die spürbar, sichtbar, aber politisch weitgehend ignoriert werden.
Gesetze mit Signalwirkung
Im Mai 2023 unterzeichnete Gouverneur Ron DeSantis eines der strengsten Migrationsgesetze der USA: Arbeitgeber müssen den Aufenthaltsstatus prüfen, Strafen wurden verschärft, die Kooperation mit Bundessicherheitsbehörden ausgeweitet.
Für undocumented workers – also die Unsichtbaren der US-Wirtschaft – eine unmissverständliche Botschaft: „Geht woanders hin.“

Die Konsequenz? Ein Exodus in Branchen, die kaum ohne migrantische Arbeit existieren. Besonders betroffen: die Landwirtschaft im Süden Floridas sowie das Baugewerbe in Großräumen wie Miami-Dade oder Orlando.
Baustellen ohne Arbeiter
Der kleine Bauunternehmer Jorge Alvarez, dessen Firma Einfamilienhäuser in Broward County errichtet, spricht Klartext:
„Ich verliere Aufträge, weil ich sie nicht mehr stemmen kann. Drei meiner besten Leute sind zurück nach Honduras – nicht abgeschoben, freiwillig gegangen.“
Einzelne Projekte stünden still, bei anderen seien Fertigstellungen um Monate verzögert. Und das in einem Markt, der eigentlich boomt: Immobilienpreise in Südflorida sind seit 2020 um rund 40 % gestiegen, Bauflächen sind gefragt, Nachfrage ist da – doch es fehlt das Personal.
Schweigen in der Boomzone
Doch das Thema kommt in der öffentlichen Wahrnehmung kaum an. Warum? Weil der Immobilienmarkt die Mängel überdeckt. Solange neue Tower entstehen und Immobilienpreise neue Rekorde brechen, wird nicht nachgefragt, wer sie eigentlich gebaut hat – und wer fehlt.
Ein anonymer Manager eines großen Bauträgers in Miami räumt ein: „Wir lagern vieles an Subunternehmer aus. Wenn die Probleme haben, ist das für uns erst mal kein Risiko – sondern deren Sache.“ Die Kette der Verantwortung endet in der Schattenwirtschaft.

Wirtschaft gegen Ideologie
Zahlreiche Studien, etwa vom Florida Policy Institute, zeigen: Ein signifikanter Teil der Agrar- und Bauwirtschaft in Florida hängt direkt von undocumented labor ab – oft ohne Alternative.
Experten schätzen, dass rund 200.000 Arbeitskräfte allein in Florida durch die neuen Gesetze faktisch verdrängt wurden oder sich zurückgezogen haben.
Und während Großinvestoren weiter in Floridas Märkte pumpen – etwa in Wohnbau, Logistik, Infrastruktur – droht das Fundament brüchig zu werden. Nur sprechen will darüber kaum jemand.
Denn politisch gewinnt man in Florida derzeit eher mit harter Rhetorik gegen Migration als mit Hinweisen auf Ernteausfälle oder Baurückstände.
Florida steht beispielhaft für ein wachsendes Dilemma in den USA: Wirtschaftlicher Wohlstand beruht auf Arbeitskräften, die politisch nicht gewollt sind. Während der Immobilienmarkt floriert, bröckelt im Schatten der Boomkulissen das Fundament.
Und solange die Preise steigen, bleibt die Debatte über die Schattenseite der Migration – genau dort: im Schatten.
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