In Wynwood parken Teslas mit kalifornischen Nummernschildern vor veganen Cafés und Coworking-Lofts. Auf dem Dach von „The Lab Miami“ diskutieren Investoren in Shorts über DeFi, AI und „Freedom over everything“.
Das neue Silicon Valley? Vielleicht. Sicher ist: Florida ist nicht länger nur der Rentnerstaat – sondern Amerikas radikalstes Wachstumsversprechen.
Der große Exodus
„Ich wollte mein Startup in Kalifornien skalieren, aber nicht die Steuerlast oder die Politik“, sagt Alejandro, Gründer einer Blockchain-Plattform, der vor zwei Jahren mit seinem gesamten Team von San Francisco nach Miami zog.
Er ist nicht allein. Tausende Tech-Talente, Gründer und Investoren verließen in den letzten Jahren die Bay Area – oft direkt in Richtung Florida. Der Grund? Steuern, Lebensstil und Politik.
Kalifornien verlangt auf Einkommen über 1 Million Dollar rund 13,3 % Spitzensteuer. Florida: 0 %. Keine Einkommenssteuer, kaum Regulierung – ein Traum für Menschen, die move fast and break things zur Religion gemacht haben.
DeSantis, der Gouverneur der Gründer
Der Mann hinter dem Boom ist Ron DeSantis. Der republikanische Hardliner machte sich im Tech-Milieu früh beliebt – nicht trotz, sondern wegen seiner kontroversen Agenda.
Während Kalifornien in Pandemiezeiten restriktiv agierte, propagierte DeSantis: Offen halten, Geld reinholen, Regeln minimieren. Florida ließ Bars und Restaurants früh öffnen – und warf sich offen dem Unternehmertum in die Arme.

DeSantis warb Tech-Größen persönlich an. Peter Thiel, Keith Rabois, Chamath Palihapitiya – sie alle investierten Millionen in Floridas Startup-Szene. „Miami is the future“, twitterte Bürgermeister Francis Suarez 2021 – und löste damit eine Welle aus, die bis heute anhält.
Krypto & Kapital
Miami hat sich in nur drei Jahren zum Epizentrum der US-Kryptoindustrie entwickelt. Firmen wie FTX, BlockTower Capital oder der Bitcoin 2023 Summit zogen Investoren und Neugierige in Scharen an.
Zwar ist der Hype abgeflaut, doch das Geld blieb: Immobilien, Fintechs und neue Investmentfonds haben die Lücken gefüllt. Suarez ließ sich sein Gehalt eine Zeit lang in Bitcoin auszahlen – ein PR-Stunt, der in Erinnerung bleibt.
Auch klassische Investmentfirmen siedeln sich an. Blackstone und Citadel bauen in Miami neue Hauptquartiere. Der Immobilienmarkt explodiert – trotz hoher Zinsen. Das liegt auch daran, dass nicht nur Einzelpersonen, sondern ganze Unternehmen verlagern. Was früher Silicon Valley war, wird nun Brickell.

Die andere Seite der Freiheit
Doch nicht alles glänzt. Miami leidet unter explodierenden Mieten, wachsender Ungleichheit und einem Arbeitsmarkt, der mit dem Tempo kaum Schritt hält. Tech-Szene trifft auf prekäre Jobs, gentrifizierte Viertel auf verdrängte Anwohner.
Hinzu kommt das strukturelle Risiko: Hurrikane, steigender Meeresspiegel, Versicherungskosten. Einige Investoren sprechen offen von einer „limitierten Halbwertszeit“. Dennoch, solange Florida Wachstum, Steuervorteile und libertäres Klima bietet, ist es das amerikanische Versprechen 2.0.
Fazit
Wer verstehen will, wie sich Amerika wirtschaftlich und ideologisch neu ordnet, sollte nach Miami reisen. Florida ist zur Projektionsfläche eines entfesselten Kapitalismus geworden – offen, roh, risikofreudig. Für manche die Zukunft, für andere ein Experiment am Limit.
Aber genau darin liegt die Story.
Das könnte Sie auch interessieren:
