29. Juni, 2025

Politik

Familiennachzug gestoppt – Bundestag zieht die Notbremse

Zwei Jahre Pause für den Familiennachzug subsidiär Schutzberechtigter: Die Regierung setzt auf Abschreckung, Ordnung und Entlastung. Doch der Preis könnte hoch sein.

Familiennachzug gestoppt – Bundestag zieht die Notbremse
Der Gesetzesstopp betrifft vor allem Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan und Eritrea – Länder, in denen Gewalt und Verfolgung Alltag sind. Kritiker sprechen von einem Bruch mit dem Grundsatz des Schutzes der Familie.

Ein Beschluss mit Signalwirkung

Mit 444 Stimmen beschloss der Bundestag am Donnerstag, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen. Betroffen sind vor allem Geflüchtete, die nicht als Asylberechtigte anerkannt sind, aber dennoch nicht abgeschoben werden dürfen.

Der Beschluss fiel nicht nur mit Koalitionsmehrheit, sondern auch mit Unterstützung aus der Opposition. Ein seltener Schulterschluss im politischen Berlin – und ein deutliches Signal: Deutschland zieht die Reissleine.

CSU-Mann Alexander Dobrindt verteidigte den Schritt mit Nachdruck. Der Familiennachzug, so Dobrindt, habe einen "Pull-Effekt" ausgelöst – er locke Menschen gezielt an.

Der Innenminister sprach von kriminellen Banden, die aus der Hoffnung auf Familienzusammenführung ein Geschäftsmodell gemacht hätten. Ziel sei nicht Abschottung, sondern Ordnung.

Zerreißprobe im Plenarsaal

Die Bundestagsdebatte geriet zur politischen Zerreißprobe. Zwischenrufe, Ordnungsrufe, gegenseitige Beschuldigungen. Linken-Abgeordneter Luigi Pantisano und der AfD-Politiker Pierre Lamely wurden zur Ordnung gerufen.

Grünen-Abgeordnete Schahina Gambir warf der Regierung vor, gegen die Menschlichkeit zu stimmen. Die Emotionen kochten hoch – ein Spiegel der gesellschaftlichen Spaltung beim Thema Migration.

Hinter der Statistik stehen Menschen, deren Familien oft jahrelang getrennt waren. Die Türkei, Syrien und Afghanistan zählen zu den häufigsten Herkunftsländern.

12.000 weniger – aber zu welchem Preis?

Rund 12.000 potenzielle Einreisen jährlich will die Regierung durch die Aussetzung verhindern. Gleichzeitig leben laut Bundesinnenministerium aktuell rund 388.000 Menschen mit subsidiärem Schutzstatus in Deutschland.

Viele von ihnen haben Familien in Krisengebieten zurücklassen müssen. Was für die Regierung eine Entlastung ist, bedeutet für viele Betroffene jahrelange Trennung.

Unterstützung von den Kommunen, Kritik von den Kirchen

Die Kommunen begrüßen den Schritt. Wohnraummangel, überlastete Schul- und Betreuungssysteme: Der Druck ist enorm. Der Stopp bringe dringend nötige Luft zum Atmen, heißt es aus mehreren Städten.

Ganz anders die Reaktion aus Kirchen und Sozialverbänden. Sie sprechen von einem moralischen Dammbruch, von integrationspolitischem Rückschritt. Familien würden auseinandergerissen, das Grundrecht auf Familie ausgehöhlt.

Rückblick: Schon einmal gestoppt

Der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte war bereits von 2016 bis 2018 ausgesetzt. Seitdem galt eine monatliche Obergrenze von 1.000 Visa. Diese Grenze wurde jedoch häufig nicht erreicht.

Kritiker bezweifeln deshalb die Wirksamkeit der Maßnahme und sehen darin eher Symbolpolitik als Problemlösung.

Der nächste Halt: Bundesrat und Verfassungsgericht

Das Gesetz muss nun noch den Bundesrat passieren. Parallel bereiten Hilfsorganisationen und Anwälte bereits Klagen vor. Es geht um die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz, insbesondere dem Schutz von Ehe und Familie.

Noch ist offen, ob das Vorhaben Bestand haben wird. Sicher ist nur: Der Streit um den Familiennachzug ist nicht beendet, sondern neu entflammt.

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