Das faltbare iPhone: Fortschritt auf dem Papier, Fragezeichen in der Praxis
Es ist das erste Mal, dass Apple der Konkurrenz in einer Produktsparte so lange hinterherläuft – und es dennoch schaffen könnte, das Narrativ komplett zu drehen. 2026 soll ein faltbares iPhone erscheinen, ein Jahrzehnt nachdem Samsung, Huawei und Co. den Foldable-Markt eröffnet haben.
Doch während sich viele dieser Pioniere zurückziehen oder Absatzprobleme haben, glaubt Apple: Jetzt erst recht.
Laut Analyst Ming-Chi Kuo sind die Display-Spezifikationen bereits abgeschlossen. Samsung Display – gleichzeitig Hauptkonkurrent und Hauptlieferant – soll sieben bis acht Millionen Panels jährlich liefern. Auch Foxconn, langjähriger iPhone-Fertiger, steht bereit.
Der Produktionsbeginn ist zwischen August und November 2025 anvisiert. Was fehlt? Eine finale Entscheidung über das Scharnier, das in der Foldable-Welt längst zum Risikobauteil geworden ist.
Premiumpreis gegen sinkendes Wachstum
Die Pläne lassen tief blicken: Apple will das Foldable-Modell als technologisches Statussymbol im Hochpreisbereich positionieren – mit Preisen deutlich oberhalb des aktuellen iPhone-Spitzenmodells.

Das ergibt wirtschaftlich Sinn. Denn die iPhone-Umsätze stagnieren: 2024 lag der Umsatz bei rund 201 Milliarden Dollar – solide, aber unter dem Rekordjahr 2022. Mit dem neuen Formfaktor will Apple bestehende Kundinnen und Kunden zum teuren Upgrade verleiten und gleichzeitig neue Zielgruppen adressieren.
Insider sprechen bereits von 15 bis 20 Millionen vorbestellten Geräten – über mehrere Jahre verteilt. Die Produktion wird wohl erst 2026 anlaufen, echte Stückzahlen dürften frühestens ab 2027 realistisch werden. In Cupertino denkt man also langfristig – ein neues Produkt als strategischer Katalysator, nicht als kurzfristiger Blockbuster.
Foldable-Markt im Tief – ausgerechnet jetzt?
Das Timing ist riskant. Der Foldable-Markt schwächelt. 2024 lag der Anteil faltbarer Smartphones bei nur 1,5 % aller Verkäufe. OPPO und andere Hersteller haben ihre Ambitionen bereits gestutzt, selbst Samsung verkauft weniger als erwartet. Counterpoint rechnet für 2025 mit einem weiteren Rückgang – ausgerechnet im Jahr vor Apples Einstieg.
Doch genau hier liegt Apples Stärke: Das Unternehmen schafft es seit Jahrzehnten, Produkte zu einem Zeitpunkt auf den Markt zu bringen, an dem andere bereits aufgeben.
Der iPod kam, als MP3-Player als unsexy galten. Das iPhone kam, als Nokia dominierte. Das iPad kam, als Tablets als Spielerei belächelt wurden. Apple setzt nie auf den frühen Marktanteil, sondern auf den späten Durchbruch – und auf ein Ökosystem, das die Konkurrenz nicht hat.

Technologie mit Sollbruchstellen
Trotz aller Euphorie: Die Technik ist nicht marktreif. Während Apple das Display von Samsung einkauft, bleibt die Scharniermechanik das große Fragezeichen. Noch ist sie nicht final abgeschlossen.
Und selbst wenn sie es wäre – der bisherige Foldable-Markt zeigt: Langlebigkeit, Faltenspuren, Robustheit – alles ungelöste Herausforderungen. Wer 2.000 Euro für ein Gerät ausgibt, erwartet Perfektion – Apple muss hier liefern.
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor: das Betriebssystem. iOS ist nicht für Foldables konzipiert. Die Software muss angepasst werden, ohne die Stabilität oder den Nutzerkomfort zu verlieren – eine Gratwanderung, bei der Apple zwar Erfahrung hat, aber keine Garantie.
Marktwette oder Meisterstück?
Die Foldable-Wette ist womöglich die riskanteste Entscheidung der Cook-Ära. Anders als beim Vision Pro, das klar als Zukunftslabor gedacht ist, soll das Foldable-iPhone kommerziell durchstarten.
Doch Apple geht aufs Ganze – mit einem halbfertigen Markt, teurer Technik, unklarer Nutzerakzeptanz und steigenden Entwicklungsrisiken. Das Ganze wirkt wie eine Mischung aus Notwendigkeit und Hoffnung: Eine neue Gerätekategorie muss her – weil das alte Erfolgsmodell an Grenzen stößt.
Wenn Apple gelingt, was bisher keinem gelungen ist – ein stabiles, intuitives, langlebiges Foldable für die Masse – könnte 2026 ein neues Kapitel beginnen. Wenn nicht, dürfte es das teuerste Beta-Experiment der Unternehmensgeschichte werden.
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