In einem ausführlichen Interview mit der renommierten Zeitung "Kurier" hat der angesehene Militär-Experte Marcus Matthias Keupp seine Einschätzungen zur aktuellen geopolitischen Lage und den Entwicklungen in Russland und Europa dargelegt. Professor Keupp, der an der Militärakademie der Eidgenössisch Technischen Hochschule (ETH) in Zürich lehrt, wirft dabei einen differenzierten Blick auf die inneren und äußeren Dynamiken Russlands.
Keupp argumentiert, dass ein Wechsel an der Spitze des russischen Staates kaum eine wesentliche Veränderung in Bezug auf die grundlegende politische Ausrichtung des Landes bewirken würde. Das politische und gesellschaftliche System Russlands sei tief verwurzelt in einem autoritären, militärischen und nationalistischen Gedankengut, erklärte er. Diese dauerhafte Struktur erschwere es, Veränderungen schnell zu implementieren, auch wenn es möglicherweise zu einem Führungswechsel kommen sollte.
Besonders besorgt zeigt sich Keupp über die anhaltenden Spannungen im Ukraine-Konflikt. Einen baldigen Frieden hält er für unwahrscheinlich und sieht vielmehr die Möglichkeit, dass der Krieg in einer modifizierten Form weitergeführt wird. Hierbei könnte sich eine lang anhaltende und unruhige Grenze etablieren, die das Potenzial birgt, die Stabilität in der Region dauerhaft zu beeinträchtigen.
Darüber hinaus hat Russland nach Keupps Einschätzung seine geopolitischen Ambitionen nicht nur auf die Ukraine, sondern auf ganz Europa ausgeweitet. Er betont, dass Kreml-Chef Wladimir Putin bereits in Ländern wie Ungarn und der Slowakei Verbündete gefunden hat und ähnliches in Österreich und Deutschland anstreben könnte. Eine Strategie, die darauf abzielt, extreme politische Mehrheiten zu bilden, könnte laut Keupp genutzt werden, um russische Interessen zu fördern und zu schützen.
Mit Blick auf die Verteidigungsinitiativen der Europäischen Union zeigt sich der Experte kritisch gegenüber den bestehenden Rüstungsplänen. Er bemängelt eine mangelnde Entschlossenheit und zieht dabei den Vergleich zwischen den finanziellen Ressourcen und der tatsächlichen Einsatzbereitschaft der EU-Staaten. Nach Keupps Überzeugung wäre eine verstärkte Lieferung von Waffen an die Ukraine eine friedensfördernde Maßnahme, da sie die Verteidigungsfähigkeit des Landes maximieren könnte.