Der Schritt ist brisant, weil er in das Herz der deutschen Haushaltskontrolle zielt: Die Bundesregierung möchte Clara Geywitz, SPD-Politikerin und ehemalige Bauministerin, zur neuen Vizepräsidentin des Bundesrechnungshofs machen. Der Brief von Finanz-Staatssekretär Dennis Rohde an den Haushaltsausschuss, der der Bild vorliegt, lässt keinen Zweifel: Die Personalie ist gewollt, abgestimmt – und politisch hochsensibel.
Ein SPD-Duo an der Spitze der Kontrolleure
Der Bundesrechnungshof gilt als eine der letzten Bastionen politischer Unabhängigkeit. Er überwacht die Haushalts- und Finanzpolitik der Bundesregierung, prüft die Verwendung von Steuergeldern und kommentiert kritisch, wenn Ministerien zu viel oder zu undurchsichtig ausgeben. Dass ausgerechnet die SPD nun eine ihrer eigenen Ministerinnen für die Nummer-2-Position nominiert, sorgt für Stirnrunzeln.

Denn der Rechnungshof kontrolliert vor allem die Politik des Finanzministeriums – das seit 2025 ebenfalls in SPD-Hand ist. Ein parteipolitisches Spannungsfeld, das Kritiker als „Selbstkontrolle im Regierungskreislauf“ bezeichnen.
Geywitz hingegen verweist auf ihre fachliche Erfahrung: Vor der Zeit im Bauministerium leitete sie beim Landesrechnungshof Brandenburg ein Prüfungsgebiet – allerdings nur rund ein Jahr. Reicht das für die zweithöchste Prüffunktion der Republik? Die Ampel sagt Ja. Die Opposition sagt Nein.
Ein Amt mit Macht – und ohne Wiederwahl
Der Vizepräsident des Bundesrechnungshofs ist kein politischer Nebenposten. Er oder sie wird für maximal zwölf Jahre berufen – ohne Möglichkeit auf eine zweite Amtszeit. Die Regel soll jene Unabhängigkeit schützen, die das Amt zwingend benötigt.
Geywitz würde Christian Ahrendt (FDP) ablösen, der seit rund einem Jahr in Pension ist. Dass die Nachfolge so lange offen blieb, erklärt sich nun: Es ging offenbar um eine Kandidatin, die politisch gewollt und fachlich vertretbar sein sollte. Eine Mischung, die selten reibungsfrei gelingt.
851 Milliarden neue Schulden – und ein Rechnungshof, der genau hinsehen muss
Das Timing der Personalie ist kein Zufall. Die Bundesregierung plant bis 2029 neue Schulden in Höhe von 851 Milliarden Euro – ein Rekord. Der Rechnungshof hatte bereits in den vergangenen Jahren mehrfach öffentlich Alarm geschlagen, als Haushaltsrisiken aus dem Ruder liefen oder Schattenhaushalte Umgehungskonstruktionen ermöglichten.
Mit Geywitz würde der Regierung nun eine langjährige Parteifreundin gegenüberstehen, die sie kontrollieren soll. Die zentrale Frage lautet deshalb: Kann politische Nähe und institutionelle Distanz gleichzeitig funktionieren?

Experten sind skeptisch. Die Unabhängigkeit der obersten Prüfer lebt davon, dass Personalentscheidungen nicht den Eindruck erwecken, politische Loyalität sei wichtiger als institutionelle Neutralität. Die Ampel sieht das anders und betont die „Fach- und Prüfungskompetenz“ der Kandidatin.
Historisch gewachsen – aber politisch vermint
Personalien beim Rechnungshof waren nie völlig frei von Politik. Doch selten ging es um eine Position dieser Sichtbarkeit, in einer Phase solcher finanziellen Belastungen und politischen Zerreißproben.
Selbst innerhalb der SPD gibt es Stimmen, die warnen, dass die Besetzung langfristig Vertrauen kosten könnte. Schließlich geht es um eine Institution, die gerade deshalb so respektiert wird, weil sie keiner Regierung verpflichtet ist.
Was Geywitz erwartet
Sollte der Haushaltsausschuss zustimmen – und das gilt als wahrscheinlich –, übernimmt Geywitz ein Amt, das sie zwangsläufig in Konflikte führen wird:
- Haushaltsdisziplin in Zeiten gigantischer Neuverschuldung
- Empfehlungen zu Sparmaßnahmen, die politisch weh tun
- Kontrolle über Projekte, die ihre eigene Partei verantwortet
- Öffentlicher Druck, wenn Prüfungsergebnisse die Regierung belasten
Die neue Vizepräsidentin wird beweisen müssen, dass sie sich von ihrer eigenen politischen Biografie lösen kann. Und dass das Amt schwerer wiegt als parteipolitische Loyalität.
Ein Signal – und ein Risiko
Die Bundesregierung setzt mit dieser Personalie ein klares Zeichen: Sie traut Clara Geywitz zu, zwischen Nähe und Distanz die Balance zu halten. Doch dass die Diskussion so heftig geführt wird, zeigt, wie sensibel die Kontrollarchitektur der Bundesrepublik geworden ist.
Gerade in Zeiten, in denen Haushalte wackeln, Schulden steigen und Vertrauen in staatliches Finanzgebaren sinkt, ist die Rolle des Rechnungshofs zentral. Eine Personalentscheidung, die Zweifel weckt, ist daher mehr als eine Personalie – sie ist ein Risiko für die institutionelle Stabilität.
Geywitz wird sich daran messen lassen müssen. Und die Ampel gleich mit.



