23. Dezember, 2025

Märkte

Europa trägt die deutsche Exportwirtschaft durch den Sturm

USA und China brechen als Wachstumsmotoren weg. Der Binnenmarkt gewinnt an Bedeutung – und wird zur letzten stabilen Säule für Deutschlands Exporteure.

Europa trägt die deutsche Exportwirtschaft durch den Sturm
Exporte in die USA und nach China brechen ein, Europa stabilisiert Deutschlands Ausfuhren. Eine IW-Studie zeigt die neue Rolle des Binnenmarkts.

Der Einbruch kommt von zwei Seiten zugleich. Deutschlands Ausfuhren in die USA und nach China schrumpfen 2025 spürbar – und entziehen der Exportnation ihre lange zuverlässigsten Wachstumsmärkte. Was bleibt, ist Europa. Nicht als Ersatz für verlorene Weltmärkte, aber als Stabilitätsanker in einer Phase geopolitischer und handelspolitischer Verwerfungen.

Eine neue Studie des Institut der deutschen Wirtschaft zeigt, wie tief die Verschiebungen reichen – und warum der europäische Binnenmarkt derzeit mehr rettet, als es auf den ersten Blick scheint.

Client Challenge

Die großen Absatzmärkte fallen gleichzeitig aus

In den ersten drei Quartalen 2025 gingen die deutschen Exporte in die USA um fast acht Prozent zurück, nach China sogar um rund zwölf Prozent. Zusammengenommen ziehen beide Märkte die Gesamtausfuhren um mehr als 1,5 Prozentpunkte nach unten. Für eine Volkswirtschaft, deren Geschäftsmodell über Jahrzehnte auf stetig wachsende Auslandsnachfrage gebaut war, ist das ein harter Einschnitt.

In den USA wirkt die Zollpolitik von Präsident Donald Trump wie eine strukturelle Bremse. Zwar einigten sich Washington und Brüssel im Sommer auf ein Handelsabkommen, doch die Vereinbarung schrieb für viele Produkte höhere Zölle fest – darunter für Autos, Maschinen und Vorprodukte. Die Folge: Deutsche Exporte in die Vereinigten Staaten fielen zeitweise auf den niedrigsten Stand seit Ende 2021.

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China wiederum ist kein zyklisches Problem mehr, sondern ein strukturelles. Die Volksrepublik wird 2025 erstmals seit 2010 nicht mehr unter den fünf wichtigsten Abnehmern deutscher Waren rangieren. Prognosen der Germany Trade & Invest zufolge brechen die Exporte dorthin um rund zehn Prozent auf etwa 81 Milliarden Euro ein.

Der zweite China-Schock ist hausgemacht

Der Rückgang des Chinageschäfts folgt einer neuen Logik. Deutsche Autos, Maschinen und Industrieanlagen verlieren Marktanteile, weil chinesische Anbieter technologisch aufgeholt haben – teils sogar vorbeiziehen. Hinzu kommen staatliche Subventionen und ein aus europäischer Sicht unterbewerteter Yuan, die den Wettbewerb verzerren.

Für Deutschlands Exportindustrie bedeutet das: China ist nicht mehr nur Absatzmarkt, sondern systemischer Konkurrent. Die Hoffnung auf eine rasche Erholung gilt in der IW-Studie als gering. Selbst politische Appelle dürften wenig bewirken, weil Peking gezielt auf Autarkie und technologische Eigenständigkeit setzt.

Europa fängt den Absturz ab

Gleichzeitig zeigt sich ein Gegenpol. Die deutschen Exporte in andere EU-Staaten sind 2025 gestiegen – moderat, aber wirkungsvoll. Aus der Europäischen Union kommt laut IW ein positiver Wachstumsbeitrag von mehr als 1,5 Prozentpunkten. Damit gleicht Europa die negativen Effekte aus den USA und China nahezu vollständig aus.

Besonders stark entwickelten sich die Ausfuhren nach Polen, Spanien und in die Schweiz. Jeder dieser Märkte steuerte rund 0,3 Prozentpunkte zum Exportwachstum bei. Insgesamt legten die Exporte in die EU zwar um weniger als drei Prozent zu. Doch weil Europa inzwischen fast 70 Prozent der deutschen Ausfuhren aufnimmt, wirkt selbst dieses geringe Plus wie ein Stabilisator.

Nominal stiegen die deutschen Exporte in den ersten drei Quartalen 2025 um 0,25 Prozent. Real, also inflationsbereinigt, sanken sie zwar um 0,7 Prozentpunkte. Ohne Europa wäre der Rückgang jedoch deutlich stärker ausgefallen.

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Der Binnenmarkt wird zum strategischen Faktor

„Europa erweist sich als Stabilisator für die deutsche Exportwirtschaft“, lautet das nüchterne Fazit der IW-Ökonomen. Der Satz markiert eine strategische Verschiebung. Jahrzehntelang galt der EU-Binnenmarkt als reifer, gesättigter Raum mit begrenztem Wachstum. Jetzt übernimmt er die Rolle des Risikopuffers gegen globale Schocks.

Die Studie sieht weiteres Potenzial – allerdings nur, wenn politische Blockaden abgebaut werden. Handelshemmnisse innerhalb der EU, aber auch im Verhältnis zum Vereinigten Königreich und zur Schweiz, bremsen den Austausch. Besonders im Dienstleistungshandel, der für Deutschland an Bedeutung gewinnt, bleiben viele Chancen ungenutzt.

Brüssel steht unter Handlungsdruck

Gleichzeitig fordert das IW eine klarere europäische Handelspolitik nach außen. Gegenüber den USA müsse die EU mit „höchster Priorität“ auf eine Senkung der Zölle auf weiterverarbeitete Stahl- und Aluminiumprodukte drängen. Andernfalls drohten 2026 weitere Exporteinbußen.

In Asien empfiehlt die Studie neue Freihandelsabkommen, um verlorene Marktanteile zurückzugewinnen. Gegenüber China hingegen plädiert das IW für mehr Schutz: Wenn Exporte dauerhaft unter Druck bleiben und Importe weiter steigen, wachse die Rechtfertigung für handelspolitische Gegenmaßnahmen.

Denn die Abhängigkeit bleibt einseitig. Während die Ausfuhren nach China sinken, dürften die deutschen Importe aus der Volksrepublik 2025 um mehr als sieben Prozent auf rund 168 Milliarden Euro steigen. Zwölf Prozent aller deutschen Einfuhren kommen damit aus China. Das viel beschworene Derisking kommt importseitig nur schleppend voran.

Europas Rolle ist größer als gedacht

Europa kann die Verluste in den USA und in China nicht vollständig kompensieren. Aber es verhindert, dass die deutsche Exportwirtschaft tiefer abrutscht. Der Binnenmarkt wird damit vom Selbstläufer zum strategischen Projekt.

Die entscheidende Frage lautet nicht mehr, ob Europa wichtig ist. Sondern ob die EU bereit ist, diese Rolle aktiv auszugestalten – mit weniger internen Barrieren, mehr außenpolitischer Geschlossenheit und einer klareren Antwort auf unfairen Wettbewerb.

Für Deutschlands Exporteure ist Europa derzeit nicht die beste Option. Es ist die einzige, die funktioniert.

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