Betriebsübergabe unter Zeitdruck
Die Uhr tickt für Unternehmer, die ihre Nachfolge planen. Noch ist das sogenannte Verschonungsregime für Betriebsvermögen intakt – aber wie lange noch? Das Bundesverfassungsgericht nimmt die Erbschaftsteuer in ihrer Gesamtheit erneut unter die Lupe.
Und es ist nicht das erste Mal, dass der Gesetzgeber beim Thema Gleichbehandlung und Steuerprivilegien Nachbesserungen liefern muss. Besonders umstritten: die teilweise vollständige Steuerbefreiung für übergebenes Betriebsvermögen.
Der Gesetzgeber erlaubt aktuell – unter strengen Bedingungen – eine 85- bis 100-prozentige Verschonung, wenn das Unternehmen als solches weitergeführt wird. Doch genau diese Privilegierung für Unternehmen ist Ziel der Kritik – aus verfassungsrechtlicher, aber auch gesellschaftspolitischer Sicht.
Denn während Betriebsvermögen großzügig geschützt wird, zahlen Erben mit privaten Immobilien oder Wertpapierdepots deutlich höhere Sätze.
90-Prozent-Grenze: ein Fallstrick mit Fallhöhe
Kernproblem vieler Unternehmensnachfolgen bleibt das Verwaltungsvermögen. Wird die 90-Prozent-Grenze überschritten – etwa durch zu hohe Kassenbestände, Wertpapiere oder vermietete Immobilien – entfällt die Begünstigung vollständig.
Bis vor Kurzem galt das selbst für operative Betriebe mit realwirtschaftlichem Hintergrund. Das Urteil des Bundesfinanzhofs von 2023 brachte zwar Erleichterung: Nun dürfen betrieblich veranlasste Schulden von den Finanzmitteln abgezogen werden.
Die Folge: Viele Unternehmen, die zuvor durchs Raster gefallen wären, können doch noch steuerlich begünstigt übertragen werden. Aber: Die Finanzverwaltung prüft genau. Besonders bei Konzernen, Beteiligungsstrukturen oder vermögensverwaltenden GmbHs wird es komplex. Und mit der laufenden Verfassungsprüfung steht auch diese Rechtsprechung erneut auf der Kippe.

Latente Steuerlast: Die stille Gefahr im Nachlass
Ein weiterer Schwachpunkt in der steuerlichen Nachfolgeplanung: die sogenannte latente Steuerlast. Gewinne, die in Kapitalgesellschaften zurückgehalten wurden – etwa in GmbHs – führen bei Ausschüttung zur Kapitalertragsteuer. Und im Erbfall kommt es zur steuerlichen Doppelbelastung.
Ein aktueller Fall vor dem Finanzgericht Münster zeigt: Entscheidend ist der formale Zeitpunkt der Gutschrift. Selbst wenn ein Gewinn kurz vor dem Tod zugewiesen wurde, zählt steuerlich nur, was auch tatsächlich auf dem Konto des Verstorbenen lag.
Die Folge: Der Erbe zahlt sowohl Erbschaftsteuer auf den Bruttobetrag als auch Kapitalertragsteuer auf die spätere Auszahlung. Wer seine Nachfolge nicht rechtzeitig strukturiert, riskiert erhebliche Mehrbelastungen.
Asset-Light war gestern: Jetzt zählt Planungsschärfe
Die Zeiten, in denen Steuerplanung mit simplen Mustern funktionierte, sind vorbei. Gerade Unternehmer, die sich auf das Betriebsvermögensprivileg verlassen, sollten nun ihre Gesellschaftsstruktur kritisch hinterfragen.
Gehören Immobilien oder größere liquide Mittel zum Betrieb? Gibt es Beteiligungen mit rein vermögensverwaltendem Charakter? Wird das Hauptzweckprinzip erfüllt?
Denn jede einzelne Tochtergesellschaft kann zur steuerlichen Stolperfalle werden. Und wenn der Einstiegstest scheitert, gibt es keine Teilverschonung – sondern gar keine.
Entscheidung mit Sprengkraft: Karlsruhe 2026
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Ende 2025 oder Anfang 2026 erwartet wird, könnte vieles verändern – oder sogar das gesamte Erbschaftssteuergesetz in seiner jetzigen Form kippen.
Für Unternehmer wäre das ein Desaster: Übergaben würden deutlich teurer, Planungssicherheit bliebe auf der Strecke, und es droht eine Phase der Ungewissheit, in der Finanzämter Bescheide nur noch vorläufig erlassen.
Hinzu kommt: In Zeiten explodierender Staatsausgaben ist nicht davon auszugehen, dass der Fiskus auf Steuereinnahmen verzichten wird. Im Gegenteil – Erbschaften und Schenkungen sind ein naheliegendes Ziel für künftige Steuererhöhungen.
Jetzt handeln, nicht abwarten
Wer eine Übergabe plant, sollte sie spätestens jetzt konkret prüfen – idealerweise noch vor der kommenden Entscheidung in Karlsruhe. Dazu gehört eine vollständige Vermögensaufstellung, die Analyse latenter Steuerpositionen und eine Bewertung aller Beteiligungsstrukturen. In vielen Fällen lassen sich durch Ausschüttungen, Verkäufe oder Umstrukturierungen steuerliche Nachteile noch vermeiden.
Was heute steuerlich möglich ist, kann in wenigen Monaten bereits nicht mehr gelten. Und wer zu lange wartet, dem bleibt nur noch die Reaktion auf ein neues Gesetz – statt die aktive Gestaltung des eigenen Nachlasses.
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