Ein Thema, das jahrelang ignoriert wurde, steht plötzlich ganz oben auf der Agenda. Als der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock im Mai seine ETF-Risikohinweise bei der US-Börsenaufsicht SEC aktualisierte, tauchte dort ein Punkt auf, der viele Anleger aufhorchen ließ: Quantencomputer könnten eines Tages den Bitcoin angreifen.
Eine Warnung, die nicht aus der Luft gegriffen ist – auch wenn sich die Gefahr bislang vor allem theoretisch abzeichnet.
Bitcoin gilt bislang als nahezu unangreifbar
Das liegt an seinem Sicherheitskonzept: der asymmetrischen Kryptografie. Private und öffentliche Schlüssel sichern Besitz und Transaktionen.
Die mathematische Hürde, aus einem öffentlichen den dazugehörigen privaten Schlüssel zu errechnen, ist für klassische Computer schlicht unüberwindbar – selbst mit jahrhundertelanger Rechenzeit.
Doch Quantencomputer spielen in einer anderen Liga
Anstelle von Bits arbeiten sie mit Qubits, die mehrere Zustände gleichzeitig annehmen können. Diese Rechenleistung könnte – je nach Fortschritt der Technologie – in der Lage sein, selbst die heutigen Kryptosysteme in kurzer Zeit zu knacken.
Experten wie Darius Moukhtarzadeh von 21Shares schätzen: Rund 2000 logische Qubits würden genügen, um Bitcoin-Schlüssel in Stunden zu berechnen.
IBM heizt die Erwartungen an
Der US-Technologiekonzern kündigte kürzlich an, mit seinem „Starling“-Projekt bis 2029 einen praxistauglichen Quantencomputer auf den Markt zu bringen.
Doch Fachleute wie LMU-Professorin Claudia Linnhoff-Popien bremsen: Die Ankündigungen seien bislang eher PR-getriebene Visionen als technisch belastbare Fakten.

Die Unsicherheit aber bleibt
„Meiner Meinung nach wurde das Thema von der Community viel zu lange ignoriert“, warnt Co-Pierre Georg, Direktor des Frankfurt School Blockchain Centers.
Gerade durch den Bitcoin-ETF-Boom – Blackrocks börsengehandelter Bitcoin-Fonds ist mit über 49 Milliarden Dollar Zufluss der erfolgreichste ETF aller Zeiten – wächst die Zahl der betroffenen Anleger rapide.
Dabei stellt sich eine Grundsatzfrage
Wie lange bleibt das bisherige Sicherheitsversprechen des Bitcoins noch haltbar? Moukhtarzadeh hält das Risiko aktuell noch für überschaubar: „Es ist eine Entwicklung, die zehn oder zwanzig Jahre dauern kann.“ Doch selbst diese Zeiträume verengen sich, wenn die Forschungsdurchbrüche schneller kommen als gedacht.
Und: Bitcoin ist nicht allein betroffen
Asymmetrische Verschlüsselungen bilden die Grundlage unzähliger Systeme – von Banktransaktionen über staatliche Geheimdienste bis hin zu Cloud-Anwendungen. „Warum sollte man also ausgerechnet den Bitcoin angreifen?“, fragt Moukhtarzadeh nüchtern. Finanzielle Anreize gäbe es andernorts reichlich.
Theoretisches Risiko – mit realem Eskalationspotenzial
Denn ein Schutz wäre möglich: durch Umstellung der Blockchain auf quantensichere Verschlüsselungen. Doch ein solcher Eingriff wäre tiefgreifend. Möglich wäre etwa ein sogenannter „Hard Fork“ – eine Spaltung der Bitcoin-Blockchain, wie sie bereits 2017 zu Bitcoin Cash führte.
„Das birgt Sprengstoff für die Community“, sagt Georg. Zwar glaubt Moukhtarzadeh nicht an eine große Widerstandsfront: „Warum sollte sich jemand dagegen sperren, die Blockchain sicherer zu machen?“
Doch gerade für Neuinvestoren könnte der Mythos von der Unveränderbarkeit des Bitcoins bröckeln. Denn erstmals dämmert auch ETF-Anlegern: Absolute Sicherheit gibt es auch bei Bitcoin nicht. Die Blockchain lässt sich verändern – und mit ihr womöglich auch der Zugriff auf das eigene Vermögen.
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