Wenn Windräder stillstehen, weil das Netz zu schwach ist
Jedes Mal, wenn ein Windrad abgeschaltet wird, weil die Leitungen überlastet sind, kostet das Geld. Viel Geld. 554 Millionen Euro zahlte der Staat im vergangenen Jahr an Betreiber erneuerbarer Anlagen – für Strom, der nie ankam. Und das war nur der kleinere Teil des Problems.
Noch teurer wird es, wenn anderswo fossile Kraftwerke einspringen müssen. 2,7 Milliarden Euro betrugen 2024 die sogenannten Redispatch-Kosten – eine stille Zusatzsteuer für Stromkunden, verursacht durch ein Stromnetz, das mit der Energiewende nicht Schritt hält.
Milliarden für die Leitungen – und für neue Profiteure
Deutschland reagiert – spät, aber immerhin. Bis 2045 sollen rund 650 Milliarden Euro in den Ausbau des Stromnetzes fließen. Finanziert wird das unter anderem aus dem Sondervermögen Infrastruktur.
Die neue Netzlogik reicht von Nordsee-Windparks bis hinunter zu städtischen Verteilerkästen und Rechenzentren. Und genau hier entstehen neue Gewinnchancen – für börsennotierte Spezialisten, die das Netz von morgen bauen. Drei Aktien stechen dabei besonders hervor.
1. Siemens Energy – Der Turbolader der Energiewende
Der DAX-Konzern hat in den vergangenen Jahren mehr Negativschlagzeilen gemacht als ihm lieb sein konnte – defekte Windräder, Milliardenabschreibungen, Krisengespräche mit der Bundesregierung.
Doch während die Windtochter Siemens Gamesa noch saniert wird, läuft das Netzgeschäft: Transformatoren, Umspannwerke, Hochspannungsleitungen – Siemens Energy ist zentraler Zulieferer der Energiewende-Infrastruktur.
Die Aktie hat seit Jahresbeginn rund 76 Prozent zugelegt – deutlich mehr als der DAX. Die Nachfrage ist hoch, die Auftragsbücher sind voll, und das Management nutzt den Rückenwind geschickt.
Trotzdem ist die Aktie kein Selbstläufer: Das operative Ergebnis steht und fällt mit der Stabilisierung der Windkraftsparte. Wer hier einsteigt, sollte keine Glattstrecke erwarten – aber wer langfristig denkt, kauft ein Unternehmen, das fast zwangsläufig Teil jeder neuen Stromtrasse sein wird.
2. Vertiv Holdings – Strom für die Serverfarm
Die Energiewende trifft auf ein anderes Megathema: künstliche Intelligenz. Serverfarmen, Cloud-Infrastruktur und Rechenzentren schießen weltweit aus dem Boden – und brauchen eines in Massen: Strom.
Genau hier kommt Vertiv ins Spiel. Der US-Konzern liefert alles, was KI-Stromkreise brauchen – Wechselrichter, Schaltanlagen, Stromspeicher.
Das Geschäft boomt: Im ersten Quartal 2025 wuchs der Auftragseingang um 13 Prozent. Gleichzeitig setzt Vertiv auf robuste Lieferketten: Der Anteil chinesischer Komponenten liegt im niedrigen einstelligen Bereich.
Trotzdem wird Donald Trumps Zollpolitik zum Risiko: Die Gewinnmarge wird im zweiten Quartal voraussichtlich leicht schrumpfen – ausgerechnet wegen höherer Kosten für Importe.
Dennoch bleibt Vertiv ein spannender KI-Profiteur. Das Unternehmen wächst, ist profitabel und international aufgestellt. Anleger sollten jedoch wissen: 58 Prozent des Umsatzes stammen aus dem amerikanischen Kontinent. Wer in Vertiv investiert, wettet auch auf die US-Konjunktur – mit all ihren Unwägbarkeiten.
3. Itron – Der stille Netzintelligenz-Anbieter
Im Windschatten der großen Energiekonzerne agiert Itron, ein US-Unternehmen, das sich auf Smart Metering und intelligente Energienetze spezialisiert hat. Vom digitalen Stromzähler bis zur automatisierten Straßenbeleuchtung bietet Itron Lösungen für Städte, Netzbetreiber und Haushalte.
Jüngstes Projekt: ein Auftrag der schwedischen Stadt Helsingborg zur vernetzten Steuerung der Straßenbeleuchtung – ein Paradebeispiel für stromsparende Stadtplanung.
Finanziell bleibt Itron solide. Im ersten Quartal 2025 stieg die Marge von 12,7 auf 14,5 Prozent. Der freie Cashflow verdoppelte sich.
Die Aktie ist weniger spektakulär als die von Siemens Energy oder Vertiv – aber gerade das macht sie attraktiv. Itron eignet sich für Investoren, die Stabilität suchen und trotzdem vom Netzausbau profitieren wollen. Kein Hype, aber auch kein Absturz.
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