Gewinneinbruch – aber auf hohem Niveau
Unbestritten ist: Die Gewinne der großen europäischen Autobauer sind 2025 massiv unter Druck geraten. Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz verloren im dritten Quartal im Schnitt rund drei Viertel ihres operativen Ergebnisses gegenüber dem Vorjahr. Gründe dafür sind schwächere Nachfrage im Premiumsegment, hohe Investitionen in Elektromobilität, der Abschied vom Verbrenner in China sowie Währungs- und Zolleffekte.
Doch der Vergleich relativiert die Schlagzeilen: Auch andere Regionen kämpfen mit Rückgängen – wenn auch geringeren. In Japan lagen die Gewinnrückgänge bei rund 29 Prozent, in den USA und China bei etwa 14 Prozent. Entscheidend ist jedoch, von welchem Niveau aus diese Rückgänge erfolgen.

Europas Autobauer verdienen pro Auto am meisten
Hier liegt die eigentliche Überraschung. Nach Berechnungen der Unternehmensberatung BCG zählen rund die Hälfte der weltweit gesündesten und profitabelsten Autokonzerne zu Europa. Deutschland spielt dabei eine zentrale Rolle.
In den ersten drei Quartalen 2025 verdiente BMW durchschnittlich rund 4.500 Euro pro verkauftem Fahrzeug, Mercedes-Benz etwa 3.200 Euro. Davon sind US- und chinesische Hersteller weit entfernt: Tesla, Ford und General Motors kamen im Schnitt auf rund 1.700 Euro pro Auto, Chinas Branchenprimus BYD sogar nur auf etwa 1.100 Euro.
Das zeigt: Europas Autobauer haben kein Nachfrage-, sondern primär ein Margen- und Kostenproblem – und selbst dieses auf einem Niveau, das international führend bleibt.
Europa dominiert den Autohandel nach Wert
Auch beim globalen Handel ergibt sich ein differenziertes Bild. Zwar exportiert China mengenmäßig die meisten Fahrzeuge – 2024 rund 6,6 Millionen –, während Deutschland mit 4,2 Millionen Einheiten nur auf Platz drei lag. Doch wertmäßig dreht sich das Ranking.

Europäische Fahrzeuge sind im Schnitt deutlich teurer als chinesische. Rechnet man den Export nach Wert statt nach Stückzahlen, liegt Europa klar an der Spitze – mit einem Exportvolumen, das ein Vielfaches der USA erreicht. Premiumqualität und technologische Tiefe bleiben damit harte Standortvorteile.
Verbrenner-Kompetenz als Sprungbrett für E-Mobilität
China ist unangefochtener Spitzenreiter beim Absatz von Elektroautos – vor allem wegen eines riesigen, noch nicht gesättigten Binnenmarktes und massiver staatlicher Förderung. Überraschend ist jedoch, wie gut Europa den Übergang meistert.
Die Mehrheit der in Europa verkauften Elektroautos stammt von europäischen Herstellern. Gleichzeitig bleibt der Kontinent Weltmarktführer bei der Verbrennertechnik – ein Know-how, das beim Übergang zu Hybrid- und E-Antrieben nicht verschwindet, sondern adaptiert wird.
Zwischen 2025 und 2027 bringen chinesische Hersteller zwar deutlich mehr neue E-Auto-Modelle auf den Markt als ihre europäischen Konkurrenten. Doch im Vergleich zu den USA zeigt sich: Europa ist nach China die zweitstärkste Elektromacht der Welt.
Forschung und Entwicklung als strategischer Vorteil
Besonders stark ist Europas Position bei Forschung und Entwicklung. Rund 31 Prozent der weltweit wichtigsten automobilen Innovationen stammen aktuell aus Europa – mehr als aus den USA. China liegt ebenfalls vorn, andere Regionen folgen mit großem Abstand.
Das spricht dafür, dass Europa technologisch nicht abgehängt ist, sondern weiterhin eine Schlüsselrolle spielt – nicht nur bei Elektroantrieben, sondern auch bei Software, autonomem Fahren und effizienter Produktion.
Fazit
Europas Autoindustrie steckt in einer harten Übergangsphase. Gewinne brechen ein, Strukturen werden neu geordnet, Arbeitsplätze stehen unter Druck. Doch die Grundlagen sind stabil: hohe Preise, starke Marken, führende Technologie und globale Marktmacht nach Wertschöpfung.
Die eigentliche gute Nachricht lautet daher: Europas Autoindustrie ist nicht dem Untergang geweiht – sie ist mitten in einer schmerzhaften, aber realistischen Transformation, aus der sie als einer der wenigen globalen Gewinner hervorgehen kann.



