Zurückweisung als politisches Statement
Die Botschaft kam mit Ansage – und sie kam schnell. Nur Stunden nach seiner Vereidigung verkündete Innenminister Alexander Dobrindt, was viele in der Union seit Jahren fordern: Zurückweisungen an der Grenze, auch von Asylsuchenden.
Die mündliche Weisung von 2015 – de facto ein Bleiberecht für alle, die es auf deutsches Hoheitsgebiet schafften – soll offiziell aufgehoben werden. Die Bundespolizei könne und solle nun konsequent zurückweisen, sagte Dobrindt.
Die „Welt“ zitierte ihn mit den Worten:
„Es geht darum, dass sich die Politik in Deutschland ändert.“
Ein innenpolitisches Signal – aber auch ein außenpolitisches Fanal.
DPolG: „Endlich Klarheit“
Heiko Teggatz, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), spricht von einem „Paradigmenwechsel“.

Für ihn sei die Rechtslage nun eindeutig: Der Paragraph 18 des Asylgesetzes schreibe die Zurückweisung zwingend vor, wenn jemand aus einem sicheren Drittstaat einreise – etwa aus Österreich, Tschechien oder der Schweiz. Dass diese Praxis jahrelang politisch ausgesetzt wurde, sei nun Geschichte.
„Die Bundespolizei kann und wird zurückweisen“, sagt Teggatz.
Was juristisch nüchtern klingt, ist faktisch ein harter Eingriff in die bisherige Asylpraxis. Und ein Affront gegenüber den Nachbarn.
Schweiz: Rechtsbruch ohne Absprache
Wenig überraschend kam deshalb die scharfe Reaktion aus Bern. Der Schweizer Justizminister Beat Jans erklärte, die Maßnahme verstoße gegen geltendes Recht. Dass Deutschland die Entscheidung ohne bilaterale Rücksprache getroffen habe, sei „bedauerlich“.
Auch Frankreich und Österreich zeigten sich irritiert. Denn klar ist: Systematische Grenzkontrollen an den Binnengrenzen widersprechen nicht nur dem Schengen-Geist – sie belasten auch den grenzüberschreitenden Alltag von Millionen Pendlern und Unternehmern.

Ein juristisches Vabanquespiel
Noch ist unklar, wie Gerichte mit der neuen Linie umgehen werden. Zwar lässt das Asylgesetz Zurückweisungen aus sicheren Drittstaaten zu. Doch das europäische Recht – insbesondere die EU-Aufnahmerichtlinie sowie Urteile des EuGH – verlangt individuelle Prüfungen und setzt hohe Hürden. Ein Konflikt mit EU-Recht scheint programmiert.
Die Frage lautet daher nicht, ob Klagen gegen die neue Praxis kommen – sondern wann. Und ob die Bundesrepublik sie standhält.
Wahlkampfmodus statt Migrationswende
Für die Union ist das Thema ein politischer Hebel. Friedrich Merz, seit wenigen Wochen Kanzler, gibt sich staatstragend – aber hart in der Sache.
„Solange wir diese hohe irreguläre Migration haben, brauchen wir Binnengrenzkontrollen“, sagte er bei einem Besuch in Paris.
Dass er dabei auf offene Kritik seiner Gesprächspartner stieß – Nebensache. Die Linie steht.
Was als Sicherheitsmaßnahme verkauft wird, ist auch ein innenpolitisches Manöver. Laut Umfragen fordern breite Teile der Bevölkerung mehr Kontrolle und Ordnung an den Grenzen. Die Koalition bedient dieses Bedürfnis – ohne Rücksicht auf europäische Abstimmung oder internationale Signalwirkung.
Am Ende wird Karlsruhe urteilen
Noch aber gilt: Wer an der Grenze steht, wird künftig eher abgewiesen als aufgenommen. Für Schutzsuchende kann das über Schicksale entscheiden – für Deutschland über Rechtsklarheit. Oder Rechtsbruch.
Was Dobrindt als „Signal in die Welt“ verstanden wissen will, ist vor allem eines: ein Stresstest für das Asylsystem. Und für den Rechtsstaat. Denn wenn der politische Wille beginnt, das juristische Fundament zu beugen, braucht es Gegenkräfte.
Ob das Bundesverfassungsgericht erneut die Rolle übernimmt, bleibt abzuwarten. Aber es ist nicht unwahrscheinlich
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