30. Mai, 2025

Wirtschaft

Deutschland ist Unsicherheitsweltmeister – und das hat einen Preis

Ökonomischer Krisenindex erreicht Rekordwerte: Warum deutsche Unternehmen so tief im Nebel stochern wie in keinem anderen Land der Welt – und welche Folgen das für Wachstum und Vertrauen hat.

Deutschland ist Unsicherheitsweltmeister – und das hat einen Preis
Mit 1.057 Punkten im März 2025 überschreitet Deutschland die Schwelle, die bisher selbst von Krisenstaaten wie der Türkei oder Brasilien nicht erreicht wurde.

Deutschlands Wirtschaft befindet sich im Ausnahmezustand. Laut dem internationalen "Economic Policy Uncertainty Index" hat kein anderes Land der Welt ein höheres Maß an wirtschaftspolitischer Unsicherheit erreicht.

Mit 1.057 Punkten im März 2025 überschreitet Deutschland die Schwelle, die bisher selbst von Krisenstaaten wie der Türkei oder Brasilien nicht erreicht wurde.

Es ist ein beispielloser Spitzenplatz – und ein alarmierendes Signal an Investoren, Unternehmen und die Politik.

Historischer Höchststand: Woher die Zahl kommt

Die Daten stammen aus dem renommierten "Economic Policy Uncertainty"-Projekt der Stanford University und der Kellogg School of Management.

Die Forscher analysieren monatlich die Berichterstattung großer Wirtschaftsmedien auf bestimmte Schlagworte wie "Unsicherheit", "Wirtschaftspolitik", "Regulierung" oder "Krise".

Für Deutschland werden insbesondere die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und das "Handelsblatt" ausgewertet. Der Indexwert von über 1.000 steht für ein Rekordniveau der Unsicherheit seit Beginn der Messungen 1993.

Deutschland, einst Garant für wirtschaftspolitische Verlässlichkeit, wirkt zunehmend orientierungslos.

Verunsicherung auf allen Ebenen

Der explosive Anstieg des Indexwerts begann im Jahr 2022 mit dem russischen Überfall auf die Ukraine und der darauffolgenden Energiekrise.

Seither reiht sich eine Erschütterung an die nächste: Rezessionsangst, wachsender Protektionismus, Lieferkettenprobleme, der Umbau zur klimaneutralen Industrie, instabile Regierungskoalitionen und eine aggressive US-Handelspolitik.

Deutschland, einst Garant für wirtschaftspolitische Verlässlichkeit, wirkt zunehmend orientierungslos.

BIP schrumpft im Schatten der Ungewissheit

Das Kiel Institut für Weltwirtschaft hat untersucht, welche realwirtschaftlichen Folgen diese Unsicherheit hat.

Die Erkenntnis: Allein die wirtschaftspolitische Verunsicherung hat das deutsche BIP zwischen 2021 und 2024 um bis zu zwei Prozentpunkte gedrückt. Hätte sich Deutschland im Gleichschritt mit dem europäischen Durchschnitt entwickelt, wäre die konjunkturelle Lage spürbar besser.

Europa im Vergleich: Deutschland entkoppelt sich

Besonders brisant ist, dass sich Deutschland vom europäischen Trend abkoppelt. Während die EU laut Index aktuell bei 553 Punkten liegt und die USA trotz politischer Polarisierung nur auf 446 kommen, bleibt Deutschland im Krisenmodus. Selbst Großbritannien mit Brexit-Folgen oder Italien mit chronischer Schuldenproblematik verzeichnen deutlich niedrigere Werte.

Mehr als eine Zahl: Vertrauensverlust und Investitionszurückhaltung

Hinter dem Index verbirgt sich mehr als mediale Panikmache. Die Zahl ist ein Seismograf für die Psyche der Unternehmen. Wer nicht weiß, welche Rahmenbedingungen morgen gelten, investiert heute nicht.

Wer mit neuen Regulierungen rechnet, zögert mit Neueinstellungen. Wer politische Unentschlossenheit befürchtet, plant nicht langfristig. Die Folge: Innovationsstau, Fachkräftemangel, Kapitalflucht.

Wie geht es weiter?

Die Bundesregierung hat die Wachstumsprognose für 2025 kürzlich auf 0,2 Prozent gesenkt. Das Vertrauen in eine stabilisierende wirtschaftspolitische Strategie fehlt vielen Marktteilnehmern.

Und solange grundlegende Strukturreformen, etwa in der Steuer- oder Energiepolitik, ausbleiben, dürfte sich am Bild wenig ändern. Deutschland hat ein Vertrauensproblem – und der Index macht es messbar.

Ein Index, der zum Handeln mahnt

Der Rekordwert im Krisenindex ist kein abstrakter Zahlenwert für akademische Tabellen. Er ist ein Menetekel für den Standort Deutschland. Wer jetzt nicht gegensteuert, riskiert mehr als nur ein paar Prozentpunkte BIP-Wachstum – sondern die Wettbewerbsfähigkeit einer ganzen Volkswirtschaft.

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