Die deutsche Wirtschaft soll 2026 wieder Fahrt aufnehmen – zumindest auf dem Papier. Nach zwei Jahren im Rückwärtsgang erwartet die Bundesregierung für das laufende Jahr ein zartes Plus von 0,2 Prozent, im kommenden Jahr dann 1,3 Prozent, gefolgt von 1,4 Prozent im Jahr 2027. Eine technische Erholung – aber kein Aufbruch.
Denn hinter den Zahlen steht vor allem eines: Staatliche Stützräder. Milliardenprogramme für Infrastruktur, Klima, Rüstung und Energie kompensieren, was private Investitionen und Exportmärkte derzeit nicht leisten. Das Wachstum, das die Regierung jetzt prognostiziert, ist also geliehenes Wachstum – finanziert aus Sondervermögen und Subventionen, nicht aus neuer Wettbewerbsfähigkeit.
Ein Aufschwung aus der Steckdose des Staates
Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) spricht offen über den Charakter der Erholung: „Ein erheblicher Teil des Wachstums wird voraussichtlich aus hohen staatlichen Ausgaben stammen“, sagte sie am Dienstag.
Tatsächlich fließen allein über die verschiedenen Sonderhaushalte – vom Klima- und Transformationsfonds bis zum Bundeswehr-Sondervermögen – mehr als 200 Milliarden Euro in die Konjunktur. Der Bund zahlt, die Wirtschaft wächst – zumindest vorübergehend.
Doch Reiche warnt: Diese Programme könnten nicht dauerhaft tragen.
„Um langfristiges Wachstum zu sichern, müssen wir den Reformstau auflösen“, sagt sie.
Ihr Rezept: Energiekosten runter, Planungszeiten kürzer, Steuern niedriger, Bürokratie leichter. Deutschland brauche wieder privates Kapital – nicht bloß öffentliche Impulse.
Konsum statt Export – ein riskanter Strategiewechsel
Interessant ist, woher die Regierung den neuen Aufschwung kommen sieht: nicht aus dem Export, traditionell der stärkste Arm der deutschen Wirtschaft, sondern aus dem Binnenmarkt.
Die Begründung: stabile Preise, Lohnzuwächse und steuerliche Entlastungen sollen die Kaufkraft stärken. Mit anderen Worten: Der Konsument soll das übernehmen, was die Industrie nicht schafft.
Doch auch das ist riskant. Denn die Inflation hat zwar nachgelassen, die Preise bleiben hoch. Gleichzeitig frisst die kalte Progression Lohnsteigerungen teilweise wieder auf. Sollte die Beschäftigung nicht so stark steigen wie erhofft, könnte die Binnenkonjunktur rasch an Schwung verlieren.
Die Bremsen sitzen tiefer
Trotz aller optimistischen Zahlen ist die Diagnose klar: Deutschlands Fundament wankt. Die Energiepreise gehören weiter zu den höchsten in Europa, die Steuerlast für Unternehmen ist international kaum konkurrenzfähig, und Genehmigungen dauern oft so lange wie in keinem anderen OECD-Land.
Viele Investoren weichen längst aus – nach Osteuropa, in die USA oder nach Asien. Und während dort massive Förderprogramme private Investitionen anreizen, setzt Berlin weiter auf komplizierte Förderkulissen. Der Reformstau, von dem Reiche spricht, ist längst kein politisches Schlagwort mehr – sondern ein Wettbewerbsrisiko.
Der Elefant im Raum: Trump
Auch geopolitisch steht die Prognose auf wackeligem Boden. US-Präsident Donald Trump hat mit seinen jüngsten Zollandrohungen die EU verunsichert – und das in einer Phase, in der die exportstarke deutsche Industrie ohnehin schwächelt.
Die Bundesregierung zählt die „sprunghafte Handels- und Sicherheitspolitik der USA“ ausdrücklich zu den größten Risiken. Sollte Washington ernst machen, wären Branchen wie Maschinenbau, Chemie und Automobil erneut die Leidtragenden.
Zugleich bleibt die Abhängigkeit von China bestehen. Dort schwächt sich das Wachstum weiter ab – ein Warnsignal für Deutschland, das über 7 Prozent seiner Exporte in die Volksrepublik liefert.
Zwischen Hoffnung und Realität
Die Zahlen der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute stützen die Regierungsprognose – aber ohne Euphorie. Auch sie erwarten 1,3 Prozent Wachstum im kommenden Jahr, warnen jedoch: Der Aufschwung ist fragil.
Ein Teil der Erholung sei statistisch – getrieben durch Basis- und Sondereffekte. Ohne strukturelle Reformen drohe Deutschland, nach 2026 wieder in die Stagnation zurückzufallen.
Denn die Probleme sind hausgemacht: ein überlasteter Mittelstand, schleppende Digitalisierung, überbordende Regulierung. „Das wahre Wachstumspotenzial liegt nicht in den Haushalten, sondern in der Modernisierung des Standorts“, heißt es in einem Gutachten des ifo-Instituts.
Die Zahlen täuschen Kraft vor
Deutschland steht 2026 womöglich besser da als heute – aber nicht, weil das Land produktiver geworden ist, sondern weil der Staat die Konjunktur am Leben hält. Solange jede Wachstumswelle aus dem Haushalt finanziert werden muss, bleibt der Aufschwung auf Pump.
Die kommende Legislaturperiode entscheidet, ob daraus ein echter Neustart wird – oder ein weiteres Jahr, in dem Deutschland sich mit Statistik tröstet.
Denn Wachstum ohne Wettbewerbsfähigkeit ist kein Fortschritt, sondern nur Aufschub.