Es ist ein Schritt mit Signalwirkung. Deutschland hat erstmals seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs wieder einen Straftäter in das Land abgeschoben. Der Mann wurde per Linienflug nach Damaskus gebracht und dort den syrischen Behörden übergeben. Damit endet eine mehr als zehnjährige Praxis faktischer Abschiebestopps – zumindest für einen klar definierten Personenkreis.
Der abgeschobene Syrer, Jahrgang 1988, saß zuletzt in Nordrhein-Westfalen im Gefängnis. Verurteilt worden war er unter anderem wegen besonders schweren Raubes, Körperverletzung und Erpressung. Die Rückführung erfolgte in Begleitung von Bundespolizisten. Zuerst hatte die „Bild“-Zeitung darüber berichtet.
Eine Abschiebung mit politischem Gewicht
Bemerkenswert ist der Vorgang weniger wegen der Zahl – es handelt sich um einen Einzelfall – als wegen seiner rechtlichen und politischen Tragweite. Seit 2011, dem Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien, hatte Deutschland keine Abschiebungen in das Land mehr vorgenommen. Die Sicherheitslage galt als unzumutbar, Abschiebungen als nicht vertretbar.
Nun wird diese Linie erstmals durchbrochen. Die Bundesregierung macht deutlich: Für schwere Straftäter soll der Schutzstatus nicht mehr uneingeschränkt gelten. Der Fall markiert den Übergang von Ankündigungen zur praktischen Umsetzung.
Innenministerium setzt Koalitionsvertrag um
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hatte bereits Anfang November angekündigt, Rückführungen nach Syrien vorzubereiten. Grundlage ist der Koalitionsvertrag, in dem festgehalten ist, dass Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien wieder möglich sein sollen – beginnend mit Straftätern und Gefährdern.
Die jetzige Abschiebung gilt im Ministerium als Beleg, dass diese Linie nicht nur politisches Signal, sondern konkrete Handlungsanweisung ist. Weitere Fälle sind nicht ausgeschlossen, werden aber weiterhin als Einzelfallentscheidungen behandelt.
Rund eine Million Syrer leben in Deutschland
Die Dimension des Themas reicht weit über diesen einen Fall hinaus. In Deutschland leben derzeit rund eine Million Menschen mit syrischer Staatsangehörigkeit. Der überwiegende Teil ist integriert, arbeitet oder befindet sich in Ausbildung. Die Bundesregierung betont, dass sich die Maßnahme ausdrücklich gegen schwere Straftäter richtet – nicht gegen integrierte Schutzsuchende.

Dobrindt verweist dennoch auf die Belastung der Kommunen. Die Aufnahme- und Integrationskapazitäten seien vielerorts ausgeschöpft. Rückführungen, so die Argumentation, seien notwendig, um staatliche Handlungsfähigkeit zu sichern und Akzeptanz für Migration zu erhalten.
Außenpolitische Abstimmung mit Damaskus
Politisch heikel bleibt der Umgang mit dem Assad-Regime. Deutschland unterhält offiziell keine normalen diplomatischen Beziehungen zu Syrien. Dennoch gibt es auf Arbeitsebene Kontakte – insbesondere in konsularischen und sicherheitsrelevanten Fragen.
Außenminister Johann Wadephul hatte bei einem Besuch in Syrien betont, dass Rückführungen einzelner schwerer Straftäter mit der syrischen Seite abgestimmt würden. Zugleich stellte er klar, dass eine Rückkehr für die große Mehrheit der Syrer weder realistisch noch zumutbar sei. Wer sich in Deutschland integriere, bleibe willkommen.
Rechtlich möglich, politisch umstritten
Juristisch bewegt sich die Abschiebung auf einem schmalen Grat. Das deutsche und europäische Recht lassen Rückführungen selbst in Krisenländer zu, wenn keine individuelle Gefahr für Leib und Leben besteht und schwere Straftaten vorliegen. Menschenrechtlich bleibt der Schritt umstritten – politisch wird er bewusst in Kauf genommen.
Die Bundesregierung setzt damit ein klares Zeichen: Schutz endet dort, wo schwere Kriminalität beginnt. Dass dieser Grundsatz nun erstmals praktisch umgesetzt wurde, dürfte die migrationspolitische Debatte weiter verschärfen.
Der Tabubruch ist vollzogen. Ob es bei diesem einen Fall bleibt oder eine neue Praxis beginnt, wird sich erst zeigen. Klar ist: Die Abschiebung nach Syrien ist zurück auf der politischen Agenda – und damit ein Thema, das Deutschland noch lange beschäftigen wird.


