Ein Werk, das kaum jemand kennt – aber jeder braucht
Wenn bei SKW in Wittenberg das Gas ausgeht, steht mehr auf dem Spiel als nur ein Unternehmen. Ohne die Ammoniak- und Harnstoffproduktion des größten deutschen Düngemittelherstellers funktionieren weder Landwirtschaft noch Logistik reibungslos.
Kein AdBlue für Lkw, keine Kohlensäure für Brauereien, keine Salpetersäure für die Rüstungsindustrie. Die Produkte sind systemrelevant – die Politik reagiert trotzdem zögerlich.
Der größte Gasverbraucher des Landes schreibt rote Zahlen
SKW verbraucht mehr Gas als ganz Berlin. Früher kam es aus Russland – heute per LNG aus Katar oder Texas. Der Preis hat sich seit 2021 teils vervierfacht. Seitdem kämpft der Betrieb ums Überleben.
Hinzu kommen Belastungen wie die Gasspeicherumlage: 40 Millionen Euro jährlich, fünf Prozent des Jahresumsatzes, allein für die staatlich verordnete Reservehaltung. Geld, das SKW an anderer Stelle fehlt – etwa für Investitionen in grüne Prozesse.
Der Mann, der nicht lockerlässt
Carsten Franzke, einst Schlosser im Kombinat, heute Geschäftsführer, führt das Unternehmen wie ein Aktivist. Er reist zwischen Landtag, Bundestag, EU-Kommission – und bleibt hartnäckig.

Als die Ampelregierung die Gasspeicherumlage nicht abschaffen will, organisiert er Widerstand. Jetzt wird sie gestrichen – aber zu spät, nämlich erst ab 2026. Für SKW könnte das zu spät sein. Franzke warnt:
„Wir brauchen diese Entlastung jetzt – oder hier gehen die Lichter aus.“
Ein Beispiel – oder ein Einzelfall?
Der Fall SKW wirft grundsätzliche Fragen auf: Will Deutschland energieintensive Grundstoffindustrie halten? Oder verzichtet es darauf – aus Kostengründen, aus ideologischen Gründen oder aus schlichter politischer Trägheit?
Andere Industrien wanken bereits: Ineos verlässt Gladbeck, Dow denkt in Böhlen über Rückzug nach. Was bleibt, wenn selbst systemrelevante Branchen in Deutschland keinen Platz mehr finden?
Ein Werk, eine Ausstellung, ein letzter Appell
Franzke kämpft längst nicht mehr nur wirtschaftlich. Mit dem firmeneigenen Museum „Futurea“ am Marktplatz von Wittenberg will er erklären, was moderne Chemie leistet – und warum sie eine Zukunft verdient.
Lehrer, Schüler, Minister – alle waren schon da. Nur der Kanzler noch nicht. Franzke hat ihn eingeladen. Noch ist er guter Dinge. Sein Titel für sich selbst? Nicht CEO, sondern „Chief Optimistic Officer“.
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