04. Dezember, 2025

Märkte

Der Kollaps von First Brands setzt deutsche Zulieferer unter Schock

Mehrere Werke sind insolvent, andere kämpfen um die Loslösung vom strauchelnden US-Konzern,

Der Kollaps von First Brands setzt deutsche Zulieferer unter Schock
Der Kollaps von First Brands zieht deutsche Werke in Mitleidenschaft und zwingt mehrere Töchter in die Insolvenz.

Kurz bevor First Brands zusammenbrach, überzog Firmenchef Patrick James Europa mit einer letzten Einkaufstour – und hinterließ ein hochverschuldetes Konglomerat, das nun auseinanderbricht. Die Folgen treffen deutsche Autozulieferer mit voller Wucht.

Ein Expansionskurs ohne Fundament wird zum Risiko für Standorte

In wenigen Jahren hatte First Brands mehr als 50 Produktionsstätten in Europa und den USA zusammengeschoben. Die Strategie wirkte wie ein Kraftakt, der Größe simulieren sollte, ohne die Integration zu sichern. Mit dem im September eingeleiteten Gläubigerschutzverfahren wurden Verbindlichkeiten von über zehn Milliarden Dollar sichtbar.

Gleichzeitig tauchten Betrugsvorwürfe gegen Gründer James auf. Nach Angaben aus Gerichtsdokumenten wurden mutmaßlich nicht existierende oder gefälschte Rechnungen eingereicht. Das Bild eines Konzerns, der Wachstum inszeniert und Liquidität verbrennt, setzte sich rasch durch – mit direkten Folgen für die Töchter.

Drei Insolvenzen zeigen die Breite der Verwerfungen

Den Anfang machte Diepersdorf Plastic Manufacturing, einst die Bolta-Werke. Rund 800 Beschäftigte stellen Kühlergrills und große Kunststoffbauteile her – Teile, die in Hunderttausenden Fahrzeugen verbaut werden. Nach früheren Sanierungen fehlte nun der Rückhalt der US-Mutter; das Amtsgericht Nürnberg bestellte Volker Böhm zum vorläufigen Insolvenzverwalter.

Kurz darauf folgte CoFo. Der Spezialist für Umformungstechnik versorgt Größen wie ZF und Bosch und gilt in Europa als nahezu unverzichtbar für bestimmte Komponenten. Dennoch musste das Unternehmen, das bereits 2021 ein Insolvenzverfahren durchlaufen hatte, erneut Schutz suchen. Jan-Philipp Hoos prüft Optionen für einen Investorenprozess.

Jüngster Fall ist Meteor aus Bockenem, ein Hersteller von Dichtungssystemen. Erst im September an First Brands verkauft, steht das Werk nun unter vorläufiger Insolvenzverwaltung. Ob die Transaktion überhaupt vollzogen wurde, ist unklar – ein Hinweis darauf, wie chaotisch die letzten Monate im Konzern verlaufen sein müssen.

Westfalia kämpft um eine saubere Trennung

Besonders aufmerksam beobachtet wird Westfalia-Automotive. Das Unternehmen besitzt eine starke Marktposition im Geschäft mit Anhängerkupplungen, arbeitet profitabel und hat einen stabilen Kundenstamm. Doch die Jahresabschlüsse zeigen eine klare Abhängigkeit: Die US-Mutter hatte eine Patronatserklärung abgegeben und galt als Finanzierungsquelle für Engpässe.

Insider betonen inzwischen, Westfalia verfüge über ausreichende Liquidität und stehe operativ gut da. Dennoch bleibt die Frage, ob die Distanzierung vom Konzern rechtzeitig gelingt. Ein Herauslösen wäre sowohl finanziell als auch haftungsrechtlich komplex – aber die naheliegendste Option, um die Eigenständigkeit zu sichern.

Ultinon bleibt ein blinder Fleck

Noch undurchsichtiger ist die Lage bei der Ultinon-Gruppe, dem LED-Lichtspezialisten mit rund 500 Beschäftigten in Aachen. Das Werk gilt als technologisch stark positioniert, doch die Berichte über die Entwicklung seit der Übernahme fehlen. Die IG Metall war im Vorjahr noch optimistisch, inzwischen mehren sich Zweifel.

Liqid schärft sein Angebot für Private Markets
Der digitale Vermögensverwalter ergänzt seine NXT-Reihe um Private Debt und Infrastruktur – und baut mit Upvest die technische Basis für semiliquide Fonds neu auf

Dass weder Geschäftsberichte veröffentlicht wurden noch Aussagen zur Perspektive vorliegen, zeigt, wie tief die strukturellen Probleme reichen: Die Tochterunternehmen sind in ein Konzerngeflecht eingebettet, dessen Zukunft unklar ist – und dessen Management selbst unter juristischer Beobachtung steht.

Der Schaden reicht weit über drei Insolvenzen hinaus

Die Insolvenzen von Diepersdorf, CoFo und Meteor sind mehr als Einzelfälle. Sie legen offen, wie abhängig deutsche Zulieferer inzwischen von globalen Private-Equity-Strukturen und verschachtelten Holdingkonstruktionen sind. Bei First Brands wurde diese Abhängigkeit zum systemischen Risiko: Wenn die Mutter ausfällt, bricht die Finanzierungskette durch die gesamte Wertschöpfung.

Für die Automobilindustrie bedeutet dies zusätzliche Unsicherheit in einer Phase, in der Materialpreise, Elektrifizierungsinvestitionen und Nachfrageschwankungen ohnehin Druck erzeugen. Werke, die Bauteile für Dutzende Modelle liefern, lassen sich nicht kurzfristig ersetzen. Jede Betriebsstörung trifft die Lieferketten direkt.

Die nächsten Wochen entscheiden über die Zukunft mehrerer Standorte

Ob Westfalia und Ultinon stabil bleiben oder ebenfalls in Finanzierungslücken rutschen, wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen. Die Signale aus den Unternehmen sind beruhigend, doch der Schatten des Mutterkonzerns bleibt. Entscheidend wird sein, ob sich tragfähige Eigentümerstrukturen finden – oder ob die Sanierer weitere Teile des Konglomerats zerschlagen müssen.

Der Absturz von First Brands zeigt damit ein Grundproblem der Branche: Nicht die Technologie, sondern die Eigentümerarchitektur entscheidet zunehmend über die Zukunft von Zulieferern. In diesem Fall hat ein überdehnter Expansionskurs die Risiken nicht verteilt, sondern gebündelt. Jetzt müssen deutsche Standorte beweisen, dass sie ohne ihren Eigentümer stärker sind als mit ihm.

Kauf ins Finanzielle-Freiheit-Depot im Dezember 2025 | AlleAktien
Deutschlands beste Aktienanalysen