19. Dezember, 2025

Unternehmen

Delivery Hero unter Druck: Verkauft Östberg das Kronjuwel Woowa an Uber?

Der Kurs schwächelt, Investoren drängen, Schulden lasten. Konzernchef Niklas Östberg prüft offenbar einen Teilverkauf der profitabelsten Tochter – ausgerechnet an Uber.

Delivery Hero unter Druck: Verkauft Östberg das Kronjuwel Woowa an Uber?
Sinkender Kurs und hoher Schuldenstand setzen Delivery Hero unter Zugzwang. Ein Teilverkauf der Südkorea-Tochter an Uber wird geprüft.

Delivery Hero fehlt Zeit. Und Geduld. Der Aktienkurs des Berliner Lieferkonzerns ist in den vergangenen zwölf Monaten um rund 30 Prozent gefallen, große Investoren werden unruhig, und der Spielraum für strategische Fehler schrumpft. In dieser Lage soll Konzernchef Niklas Östberg eine heikle Option geprüft haben: den Teilverkauf der Südkorea-Tochter Woowa Brothers an Uber.

Ein Deal, der das Unternehmen entlasten würde – und zugleich ein Eingeständnis, dass der bisherige Wachstumskurs an seine Grenzen gestoßen ist.

Investoren erhöhen den Druck auf das Management

Ende November berichtete Bloomberg, mehrere Großaktionäre hätten das Management aufgefordert, ernsthafter über Teilverkäufe nachzudenken. Investoren aus Singapur, Hongkong, der Schweiz und den USA äußerten demnach offen ihre Frustration über den schleppenden Fortschritt bei der Sanierung verlustbringender Einheiten und der Entwicklung des Aktionärswerts.

Der öffentliche Antwortversuch folgte am 9. Dezember. In einem Brief an die Aktionäre räumten CEO Östberg und Aufsichtsratschefin Kristin Skogen Lund ein, die Kursentwicklung sei „für uns alle enttäuschend“. Man prüfe „strategische Optionen“, darunter Partnerschaften und Kapitalmarkttransaktionen für ausgewählte Ländergesellschaften. Offiziell keine Reaktion auf Investorenkritik – faktisch aber ein Signal: Nichts ist mehr tabu.

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Kleine Rückzüge, große Blockaden

Delivery Hero hat in den vergangenen Jahren zwar unprofitable Märkte verlassen – Thailand, Dänemark, Ghana, Slowenien, Slowakei. Doch diese Schritte waren kosmetisch. Die betroffenen Länder waren klein, die finanzielle Wirkung begrenzt.

Die wirklich großen Deals scheiterten. Anfang 2024 platzte der geplante Verkauf des Geschäfts in sieben ostasiatischen Ländern an Grab. Noch schmerzhafter: Der Verkauf von Foodpanda Taiwan an Uber Eats wurde von der dortigen Wettbewerbsbehörde untersagt.

Einzig der Teilbörsengang der Nahost-Tochter Talabat brachte Substanz. Der Verkauf von 20 Prozent der Anteile an der Börse in Dubai spülte rund 1,9 Milliarden Euro in die Kasse – bislang der einzige größere Befreiungsschlag.

Woowa ist das profitabelste Asset im Konzern

Genau hier setzt die neue Spekulation an. Nach Informationen der WirtschaftsWoche soll Östberg Uber-Chef Dara Khosrowshahi angeboten haben, zwischen fünf und zehn Prozent der Anteile an Woowa Brothers zu übernehmen. Uber habe abgelehnt – angeblich wegen der Konditionen. Beide Unternehmen äußerten sich nicht.

Woowa ist kein Randgeschäft. Unter dem Markennamen „Baedal Minjok“ dominiert die Tochter den südkoreanischen Liefermarkt. Südkorea zählt zu den bestellaffinsten Ländern der Welt, mit rund 68 Millionen aktiven Kunden und einem Marktvolumen von etwa 44 Milliarden Dollar.

Finanziell ist Woowa der Ausreißer nach oben: Rund 2,5 Milliarden Euro Umsatz, etwa 369 Millionen Euro Gewinn im vergangenen Geschäftsjahr. Das entspricht rund einem Fünftel des Konzernumsatzes – und einem Großteil der Profitabilität. In einem Konzern, der seit seiner Gründung 2011 noch nie einen operativen Jahresgewinn ausgewiesen hat, ist Woowa das Kronjuwel.

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Warum Uber ein logischer, aber schwieriger Käufer wäre

Für Uber Eats wäre Woowa strategisch attraktiv. Uber ist in 45 Ländern aktiv, in Asien jedoch vergleichsweise schwach aufgestellt. In Japan ist Uber Eats Marktführer, aus Südkorea hatte sich der Konzern 2019 zurückgezogen.

Ein Wiedereinstieg über eine Minderheitsbeteiligung am Marktführer hätte Charme. Gleichzeitig dürfte Delivery Hero einen hohen Preis verlangen. Die Übernahme von Woowa 2019/2020 kostete 5,7 Milliarden Euro – der teuerste Deal der Unternehmensgeschichte. Ein Abschlag wäre schwer zu vermitteln, ein Aufschlag politisch kaum durchsetzbar.

Dass Uber zögert, überrascht daher nicht.

Finanzielle Zwänge verdichten sich

Der Handlungsdruck bei Delivery Hero kommt nicht nur vom Kapitalmarkt. Im Juni verhängte die EU-Kommission eine Kartellstrafe von 329 Millionen Euro gegen Delivery Hero und die spanische Tochter Glovo. Zudem läuft ein Kredit über 1,4 Milliarden Euro bis 2029.

Hinzu kommt ein strukturelles Problem im Aktionariat: Großaktionär Prosus hält derzeit rund 27 Prozent, muss diesen Anteil aber bis August 2026 auf unter zehn Prozent reduzieren – eine Auflage der EU-Kommission im Zuge der Übernahme von Just Eat Takeaway. Das schafft zusätzlichen Verkaufsdruck auf die Aktie.

Aufsichtsrat stärkt Östberg – vorerst

Trotz allem hält der Aufsichtsrat am CEO fest. Kristin Skogen Lund erklärte gegenüber der „Financial Times“, Östberg solle das Unternehmen weiterführen, da er es „in- und auswendig kennt“. Die operative Leistung sei stark – auch wenn sich das nicht im Kurs widerspiegele.

Das ist Rückendeckung mit Vorbehalt. Denn klar ist auch: Sollte Delivery Hero den Spagat aus Schuldenabbau, Profitabilität und Investorenvertrauen nicht schaffen, wird der Druck weiter steigen. Und dann dürfte Woowa erneut auf den Tisch kommen.

Ein Deal, der alles verändern würde

Ein Teilverkauf der Südkorea-Tochter wäre ein Tabubruch – und zugleich ein Befreiungsschlag. Er würde Liquidität bringen, Schulden entspannen und dem Markt zeigen, dass Delivery Hero bereit ist, Wert zu realisieren, nicht nur zu versprechen.

Dass ausgerechnet Uber als möglicher Käufer im Raum steht, unterstreicht die Brisanz. Noch ist nichts entschieden. Aber die Richtung ist klar: Delivery Hero kann es sich nicht mehr leisten, alle Optionen offen zu halten – ohne eine davon umzusetzen.