18. Dezember, 2025

Fintech

Das unsichtbare Fintech: Wie Upvest still und leise den europäischen Broker-Markt aufrollt

Upvest liefert die Handelsinfrastruktur für Neobanken wie N26 und Revolut. Gründer Martin Kassing erklärt, warum das Modell vor einem Milliardenwachstum steht.

Das unsichtbare Fintech: Wie Upvest still und leise den europäischen Broker-Markt aufrollt
Berliner Fintech Upvest profitiert vom Boom bei Brokerage und Altersvorsorge.

Upvest steht selten im Rampenlicht. Und doch zieht das Berliner Start-up im Hintergrund die Fäden für einen wachsenden Teil des europäischen Neobrokerage-Markts. Wer bei den Investmentangeboten von N26, Revolut, Vivid oder Raisin ins Kleingedruckte schaut, stößt immer wieder auf denselben Namen. Upvest liefert die Infrastruktur, über die Millionen Endkunden Aktien, ETFs, Fonds oder Kryptowährungen handeln – ein Geschäft, das leise wächst und enorme Skaleneffekte verspricht.

Brokerage als Infrastrukturgeschäft im Hintergrund

Upvest versteht sich nicht als Marke für Endkunden, sondern als technisches Rückgrat für andere Finanzunternehmen. Das Modell nennt sich Brokerage-as-a-Service. Banken und Fintechs integrieren die Handelsinfrastruktur von Upvest in ihre eigenen Apps, ohne selbst regulatorisch komplexe und kostenintensive Systeme aufbauen zu müssen.

Zu den Kunden zählen inzwischen fast alle großen europäischen Neobanken. Jüngst gewann Upvest mit der DKB sogar die zweitgrößte deutsche Direktbank. Besonders bemerkenswert: Die DKB trennte sich dafür vom bisherigen Abwickler DWP – ausgerechnet kurz nachdem dieser den Upvest-Konkurrenten Lemon Markets übernommen hatte. Für Upvest ist das ein Prestigegewinn und ein Signal, dass das Modell auch für etablierte Institute funktioniert.

Früher Markteintritt als strategischer Vorteil

Gründer Martin Kassing führt den Erfolg vor allem auf das Timing zurück. Upvest sei deutlich früher als viele Wettbewerber mit dem Modell gestartet und habe früh große Kunden wie Revolut gewonnen. Parallel habe das Team die Plattform konsequent auf Skalierbarkeit ausgelegt. Neue Kunden lassen sich schnell anbinden, zusätzliche Produkte vergleichsweise zügig integrieren.

Seit der Gründung im Jahr 2017 ist das Unternehmen stark gewachsen. Nach eigenen Angaben verdoppelte oder verdreifachte sich das Geschäft in den vergangenen Jahren regelmäßig. Inzwischen wickelt Upvest rund 120 Millionen Trades pro Jahr ab, bei einem Handelsvolumen von etwa 20 Milliarden Euro.

Kapitalstarke Investoren stützen das Wachstum

Das Wachstum wird von namhaften Investoren getragen. Insgesamt sammelte Upvest rund 175 Millionen Euro ein. Zu den Geldgebern zählen Earlybird, HV Capital und der Vermögensverwalter Blackrock. In der jüngsten Finanzierungsrunde über 100 Millionen Euro kamen mit Hedosophia und Sapphire Ventures weitere internationale Investoren hinzu.

Das Kapital fließt vor allem in Produktentwicklung, Regulierung und den Ausbau der europäischen Präsenz. Upvest will neue Anlageklassen schneller verfügbar machen und regulatorische Unterschiede zwischen den Märkten zunehmend standardisieren.

Politischer Rückenwind durch staatliche Altersvorsorgepläne

Den nächsten großen Wachstumsschub erwartet Kassing aus der Politik. Die von Union und SPD geplante Frühstart-Rente sieht vor, dass Kinder und Jugendliche staatliche Zuschüsse für ein Aktiendepot erhalten. Noch größer wäre der Effekt eines umfassenden Altersvorsorgedepots, das private Kapitalmärkte systematisch in die Rentenvorsorge einbindet.

Kassing rechnet vor, dass bei langfristiger Anlage über mehrere Jahrzehnte erhebliche Vermögenswerte entstehen könnten. Intern kalkuliert Upvest damit, dass sich durch ein solches Modell in zehn bis fünfzehn Jahren bis zu eine Billion Euro an verwaltetem Vermögen ansammeln könnten. Davon würden Banken, Broker – und die dahinterliegenden Infrastrukturanbieter – massiv profitieren.

Warum Kunden selten selbst zur Konkurrenz werden

Ein klassisches Risiko für Infrastrukturanbieter besteht darin, dass Kunden ihre Systeme irgendwann selbst bauen. Kassing hält das für unwahrscheinlich. Mit steigendem Volumen sinken die Stückkosten auf der Plattform, was den Betrieb für die Partner günstiger macht als Eigenentwicklungen. Zudem bringe Upvest neue Produkte wie ELTIF-Fonds innerhalb weniger Monate europaweit auf die Plattform.

Für einzelne Banken oder Fintechs sei es kaum wirtschaftlich darstellbar, diese Geschwindigkeit und Skalierung selbst zu erreichen. Der technologische Vorsprung vergrößere sich mit jedem zusätzlichen Kunden.

Ein leises Geschäftsmodell mit großer Hebelwirkung

Upvest verzichtet bewusst auf öffentliche Aufmerksamkeit. Doch das Unternehmen sitzt an einer strategisch zentralen Stelle im europäischen Finanzsystem. Wenn Millionen neue Depots entstehen, wenn staatliche Fördermodelle Kapitalmärkte öffnen und wenn Banken ihre Infrastruktur weiter auslagern, läuft ein Großteil dieser Bewegung durch Systeme, die kaum jemand kennt.

Der Schattenbroker der Fintechs profitiert davon, dass andere im Vordergrund stehen – und genau darin liegt seine Stärke.