Erfolg verwöhnt – Erwartungen verfehlt
Für Hims & Hers war es ein Tag zum Vergessen. Nachbörslich verlor die Aktie über zwölf Prozent, nachdem das Unternehmen zum ersten Mal seit dem Börsengang die Umsatzprognosen der Analysten verfehlte.
Dabei sehen die nackten Zahlen eigentlich gut aus: Ein Umsatzplus von 73 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 546 Millionen US-Dollar – nur eben nicht gut genug für den Markt. Erwartet worden waren 552 Millionen.
Diese kleine Abweichung reichte, um den steilen Wachstumskurs des Unternehmens in Zweifel zu ziehen. Denn bei Hims & Hers sind Investoren bislang nichts anderes als Überperformance gewohnt. Umso stärker fällt die Reaktion aus, wenn das Unternehmen einmal nicht liefert.
Ein Bruch, der Vertrauen kostet
Doch es sind nicht nur enttäuschte Erwartungen, die den Kurs abstürzen lassen. Mindestens genauso gravierend: der abrupte Bruch mit Novo Nordisk. Nur einen Monat nach Ankündigung der Partnerschaft zog der dänische Pharmariese die Notbremse – und warf Hims & Hers vor, gegen regulatorische Vorgaben verstoßen zu haben.
Konkret geht es um den Vertrieb des Abnehmmittels Wegovy, einem Blockbuster-Medikament, das ursprünglich über die Plattform von Hims & Hers vertrieben werden sollte. Doch Novo Nordisk kritisiert „irreführende“ Werbung und zweifelhafte Sicherheitsstandards. Der Vorwurf: Hims & Hers habe Wegovy über Drittanbieter in Form sogenannter „compounded drugs“ angeboten – ein sensibler, in den USA streng regulierter Bereich.
Image statt Infrastruktur?
Für ein Unternehmen, das sich als Zukunft der personalisierten Medizin positioniert, wiegt dieser Rückschlag schwer. Denn gerade mit dieser Partnerschaft wollte man seine Plattform in den Bereich der verschreibungspflichtigen Hochleistungsmedikamente erweitern – ein lukrativer, aber auch riskanter Markt.
Der Vorwurf, dabei regulatorische Grauzonen zu nutzen, stellt nicht nur die Integrität des Unternehmens in Frage, sondern auch seine Fähigkeit, stabile Partnerschaften mit Big Pharma einzugehen.

Es ist ein Risiko, das in der Erfolgsstory von Hims & Hers bisher zu wenig beachtet wurde: Während das Marketing modern, zugänglich und nutzerzentriert ist, bleibt die medizinische und regulatorische Infrastruktur fragil. Novo Nordisk war offenbar nicht mehr bereit, für dieses Geschäftsmodell die Hand zu reichen.
Selbstbewusst trotz Rückschlag
CEO Andrew Dudum gibt sich betont optimistisch. In der Analystenrunde nach den Quartalszahlen sprach er von einem „Wendepunkt“, an dem das Unternehmen neue Märkte erschließe und sich langfristig zur zentralen Anlaufstelle für digitale Gesundheitsversorgung entwickle.
Auch CFO Yemi Okupe skizzierte ambitionierte Pläne: Ausbau der Laborkapazitäten, mehr Personalisierung in den Apotheken, stärkere Präsenz in internationalen Märkten. Die Botschaft: Wachstum bleibt möglich – wenn auch anders als bisher gedacht.
Doch die Worte des Managements können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Vertrauen verloren gegangen ist. Vertrauen der Partner. Vertrauen der Investoren. Und vielleicht auch ein Stück weit jenes der Kunden, die auf die medizinische Seriosität der Plattform bauen.
Eine Korrektur – oder ein Weckruf?
Der Kurssturz mag kurzfristig übertrieben wirken, doch er zeigt: Die Telemedizin ist längst kein Spielplatz mehr für Marketingpioniere. Wer heute Gesundheitsversorgung digitalisieren will, braucht mehr als einen schicken Markenauftritt und App-Zugriff. Er braucht belastbare Partner, regulatorische Klarheit – und ein Geschäftsmodell, das nicht nur in Quartalen, sondern in Systemen denkt.
Die geplatzte Novo-Kooperation ist damit mehr als ein Einzelfall. Sie ist ein Fingerzeig auf die wachsenden Spannungen zwischen klassischer Pharmaindustrie und neuen Digitalanbietern. Wer hier nicht sauber arbeitet, riskiert nicht nur Partnerschaften, sondern die Lizenz zum Handeln.
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