Ein juristisches Nachspiel mit Ansage
Der Widerstand gegen die milliardenschwere Übernahme der italienischen Staatsfluglinie ITA durch die Lufthansa nimmt zu – und bekommt eine neue Schlagkraft.
Nachdem bereits Luxair Klage gegen die Genehmigung der EU-Kommission eingereicht hatte, zieht nun auch Condor vor das Gericht der Europäischen Union. Die Argumentation: Die Brüsseler Auflagen reichen bei Weitem nicht aus, um faire Wettbewerbsbedingungen zu garantieren.
Der Vorwurf: Marktverzerrung durch die Hintertür
Condor, der Ferienflieger mit Hauptsitz in Frankfurt, kritisiert offen, dass die Lufthansa durch den Einstieg bei ITA eine marktbeherrschende Stellung in mehreren zentralen europäischen Märkten einnehmen könnte – insbesondere bei Zubringerflügen von und nach Italien.
Die wenigen Auflagen der EU, wie etwa die Abgabe einiger Start- und Landerechte in Rom und Mailand an easyJet, seien kosmetischer Natur und keine echte Entschärfung des Deals.
„Die strukturellen Nachteile für Wettbewerber wurden nicht ausreichend berücksichtigt“, heißt es aus dem Umfeld des Unternehmens.
Man fordert nicht weniger als die vollständige Rücknahme der EU-Entscheidung.
ITA als Alitalia-Nachfolger
ITA Airways, 2020 als Nachfolgerin der insolventen Alitalia gegründet, war lange ein politisches Sorgenkind Roms. Nach vielen gescheiterten Anläufen zur Privatisierung griff schließlich die Lufthansa zu – mit einem ersten Anteilskauf von 41 Prozent für 325 Millionen Euro. Weitere Schritte bis zur vollständigen Übernahme sind vertraglich fixiert.

Die EU-Kommission hatte im Sommer 2024 grünes Licht gegeben – allerdings unter Auflagen. Unter anderem mussten Lufthansa und ITA sogenannte Slots – also Start- und Landerechte – an Wettbewerber abgeben.
Doch sowohl Condor als auch Luxair halten diese Maßnahmen für unzureichend. Der Verdacht: Die Kommission hat den Deal durchgewunken, ohne den Wettbewerb langfristig zu sichern.
Wettbewerbsrechtlich heikel – auch wegen der Slot-Vergabe
Der eigentliche Knackpunkt liegt in der Vergabe der freigewordenen Slots. Diese gingen an easyJet – ein Anbieter, der zwar europäisch operiert, aber mit der Lufthansa nicht direkt auf denselben Strecken konkurriert wie etwa Condor oder Luxair.
Das führe, so die Kritiker, zu keiner echten Entzerrung des Marktes. Die Folge: Lufthansa stärke ihre Netzwerke und behalte die Marktmacht auf wichtigen Routen – nur eben ohne die alten Einschränkungen.
Warum Condor klagt – und was auf dem Spiel steht
Für Condor steht weit mehr auf dem Spiel als ein paar Verbindungen nach Südeuropa. Der Zugriff der Lufthansa auf das Drehkreuz Rom, auf transatlantische ITA-Verbindungen und auf staatliche Subventionen in Italien könnte mittelfristig zu einer Verdrängung kleinerer Anbieter führen.
Für Condor – selbst erst vor wenigen Jahren aus der Insolvenz gerettet – ist das eine existenzielle Bedrohung.
Das Unternehmen sieht sich gezwungen, juristisch gegen die Entscheidung vorzugehen – auch als Signal an die EU-Kommission, dass Wettbewerbsregeln nicht nur auf dem Papier existieren dürfen.
Anleger bleiben entspannt – vorerst
Interessant: Die Börse nimmt die zunehmende Kritik bislang gelassen hin. Die Lufthansa-Aktie kletterte am Dienstagvormittag zeitweise um 0,41 % auf 6,81 Euro (XETRA).
Das zeigt: Anleger setzen offenbar auf einen erfolgreichen Abschluss des Deals – und vertrauen darauf, dass mögliche juristische Stolpersteine letztlich keine aufschiebende Wirkung haben werden.
Wird Brüssel erneut nachbessern müssen?
Dass gleich zwei Airlines innerhalb kürzester Zeit gegen dieselbe Entscheidung der EU-Kommission vorgehen, ist ungewöhnlich – und dürfte auch in Brüssel für Unruhe sorgen.
Die Klagen werfen ein Schlaglicht auf eine zunehmend schwierige Balance zwischen Marktintegration und Wettbewerbsschutz. Gerade im Airline-Sektor, wo Netzwerke, Synergien und staatliche Einflüsse ineinandergreifen, ist diese Balance besonders fragil.
Ob die Richter in Luxemburg den Deal kippen oder die Auflagen verschärfen, ist offen. Klar ist nur: Die Übernahme ist längst nicht mehr nur ein wirtschaftlicher Coup der Lufthansa – sie ist ein politischer Fall geworden.
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