Freiwilligkeit statt Vorschrift: Commerzbank zementiert Homeoffice-Modell
Die Corona-Zeit war für viele ein Digitalexperiment im Zwangsmodus. Für Banken galt das doppelt: Hohe Sicherheitsanforderungen, sensible Daten und ein traditionelles Präsenzdenken machten mobiles Arbeiten einst zur Ausnahme. Bei der Commerzbank ist daraus längst der Normalfall geworden.
Nun geht das Institut einen Schritt weiter – und schafft eine der liberalsten Regelungen in der deutschen Finanzbranche: Ab dem 1. Oktober 2025 wird die Möglichkeit zum Homeoffice unbefristet festgeschrieben.
Während sich Wettbewerber wie die Deutsche Bank oder J.P. Morgan mit Verve an die Rückführung ins Büro machen – häufig verbunden mit strikter Präsenzpflicht an mehreren Tagen pro Woche –, verabschiedet sich die Commerzbank vom Korsett der festen Quoten.
Schon seit April 2024 koordinieren sich die Teams selbstständig, wann sie sich im Büro treffen und wann remote gearbeitet wird. Diese Flexibilität wird nun zur Unternehmenspolitik.
„Großes Signal der Wertschätzung“
Personalvorständin Sabine Mlnarsky spricht in der offiziellen Mitteilung von einem „großen Signal der Wertschätzung und des Vertrauens an unsere Mitarbeitenden“. Es sei richtig, so Mlnarsky, „weil die Erfahrungen ausgesprochen positiv sind“. Gleichzeitig erwartet die Bank weiterhin Präsenz – idealerweise zwei bis drei Tage pro Woche, mindestens jedoch einen gemeinsamen „Teamtag“.
Die Einigung mit dem Betriebsrat trägt diesen Erwartungen Rechnung, ohne sie als Zwang zu formulieren. Das Modell gilt nicht nur für die Frankfurter Zentrale, sondern auch für Beratungscenter und das Kundenmanagement der Tochter Comdirect.
Ein Modell für den War for Talents
Hinter der Entscheidung steht eine strategische Überlegung: Die Bank will im hart umkämpften Arbeitsmarkt als moderner Arbeitgeber wahrgenommen werden. Gerade bei gefragten Talenten in den Bereichen IT, Digitalisierung oder Private Wealth Management entscheidet die Flexibilität oft über den Zuschlag.
„Während andere Unternehmen wieder auf eine höhere Büropräsenz setzen, positioniert sich die Commerzbank mit einem der modernsten Modelle für hybrides Arbeiten“, heißt es selbstbewusst aus dem Haus.
Die Konkurrenz allerdings sieht das anders.
Zurück ins Büro: Der internationale Trend
Tatsächlich schwimmt die Commerzbank gegen den Strom. Die Deutsche Bank forderte ihre Angestellten zuletzt auf, wieder mehr Tage vor Ort zu verbringen.
Noch konsequenter agieren internationale Häuser: J.P. Morgan-Chef Jamie Dimon ordnete bereits 2023 eine Rückkehr in Vollzeit an – zumindest für die Führungsebene. Auch Goldman Sachs pocht seit Monaten auf mehr Präsenz.
Dahinter steht nicht nur Kontrolle, sondern auch Skepsis: Lässt sich Unternehmenskultur über Zoom pflegen? Verlieren sich Teams in der Distanz? Wie steht es um Produktivität, Innovationskraft, Loyalität?
Vertrauensvorschuss mit Risiko
Genau an diesem Punkt trennt sich Haltung von Kultur. Die Commerzbank setzt auf Vertrauen – und riskiert damit auch eine gewisse Entgrenzung.
Denn selbstbestimmtes Arbeiten funktioniert nur, wenn es nicht zur ständigen Verfügbarkeit führt. Gleichzeitig zeigt das Modell, dass auch ein Konzern mit über 38.000 Mitarbeitenden beweglich sein kann.
Wer Homeoffice nicht als Notlösung, sondern als strategisches Element versteht, braucht Regeln – aber keine Fesseln. In Zeiten knapper Fachkräfte kann genau das den Unterschied machen.
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