In Singapur hat sich das mit 2,5 Millionen Dollar dotierte Weltmeisterschafts-Match zu einem spannenden Duell entwickelt. Chinas Ding Liren und Indiens Gukesh Dommaraju, der mit 18 Jahren jüngste Herausforderer der Geschichte, stehen nach sechs Partien der 14-Spiel-Serie gleichauf mit 3-3 Punkten. Der Montag bietet beiden Spielern eine wohlverdiente Verschnaufpause.
Im sechsten Spiel am Sonntag griff Ding erneut zum modischen Londoner System mit 1 d4 und 2 Bf4, das er bereits im letzten Jahr gegen Ian Nepomniachtchi einsetzte. Trotz raschen Tempos bei den ersten 20 Zügen fiel die computerbasierte Bewertung kaum von der Gleichheit ab, und beide Spieler einigten sich auf ein Remis nach der dreimaligen Stellungswiederholung im 46. Zug.
Ding hat bislang aus strategischer Sicht leicht die Oberhand, bedauert allerdings seine Unfähigkeit, in den Partien drei und fünf seine kleinen, aber bedeutenden Vorteile in einen Sieg zu verwandeln. Gukesh verfolgt eine optimistischere, vielleicht etwas zu mutige Linie: In all seinen drei Partien mit Weiß hat er einen vielversprechenden, aber nicht immer erfolgreichen Vorstoß g2-g4 gewagt.
Während Dings strategischer Blick überlegen erscheint, beeindruckt Gukesh durch präzise Berechnungen. Besonders in der dritten Partie, wo Ding eine unglückliche Entscheidung mit 18...Rh5? traf und Gukesh mit einem cleveren 23 Ne2! Material und letztendlich das Spiel gewann.
Eine Überraschung bot Gukesh in der fünften Partie, als er als Weiß gegen die Französische Verteidigung mit 1 e4 e6 2 d4 d5 3 exd5 exd5 spielte. Diese Eröffnung gilt als unaufregend, und selbst die bekannteste weibliche Spielerin aller Zeiten, Judit Polgár, zeigte sich über diese Wahl schockiert. Gukesh blieb vage über seine Beweggründe, es kam jedoch Spekulationen auf, dass sein Team Ding Schwächen in Mittelspielen ohne Damen zuschreibt.
Ding startete als klarer Außenseiter, hatte er doch in den letzten zehn Monaten kein klassisches Spiel gewinnen können. Doch die Chancen stehen nun ausgeglichen. Insgesamt fehlt beiden Spielern noch jene Ausstrahlung und das umfassende Können, die den Norweger Magnus Carlsen zehn Jahre lang unbesiegbar machten, bis er Anfang 2023 die Krone niederlegte.
Carlsen, im Alter von nur 34 Jahren, wird kaum jemals ins klassische Schach zurückkehren, da er den langwierigen Vorbereitungen für Matches abgeneigt ist. Stattdessen preferiert er die schnelleren Formate und wird am Monatsende seine Titel im Schnell- und Blitzschach an der Wall Street verteidigen.
In der Zwischenzeit bereitet sich Fabiano Caruana, Weltranglistenzweiter und amtierender US-Meister, auf einen erneuten Anlauf für 2026 vor. Der 32-Jährige, historisch auf Platz drei nach Carlsen und Garry Kasparov, gewann am Wochenende die US Masters und kann seine Position bei den kommenden St. Louis Masters weiter stärken. Doch auch Indiens Arjun Erigaisi ist im Rennen, und der Ausgang zwischen ihnen könnte sich erst bei der Weltmeisterschaft im Schnell- und Blitzschach an der Wall Street entscheiden.