Der Angriff kommt leise – und mit Agentenlogik
In Kalifornien steigen die Kurse, in Peking wird kalkuliert. Während Nvidia an der Börse weiter von der KI-Euphorie getragen wird, legt China mit seiner nächsten Kampfansage nach.
Das Startup Z.ai, ehemals Zhipu, bringt ein KI-Modell auf den Markt, das nicht nur Open Source ist – sondern laut Entwicklern auch günstiger als DeepSeek, das zuletzt als ernsthafte Alternative zu GPT-4 galt. Name des Modells: GLM-4.5.
Klein, effizient, quelloffen – und vor allem: extrem billig in der Anwendung. Damit zielt das chinesische Unternehmen direkt auf das Fundament von Nvidias KI-Dominanz: teure Hardware, hohe Rechenleistung, geschlossene Systeme. Die Strategie der Amerikaner – maximale Skalierung über maximale Investitionen – gerät ins Wanken.
Was kann GLM-4.5 – und was macht es anders?
Statt auf bloße Größe setzt das neue Modell auf sogenannte agentenbasierte Architektur. Das bedeutet: Aufgaben werden nicht linear bearbeitet, sondern in Teilaufgaben zerlegt – ähnlich wie in einem Projektteam, das sich aufteilt. Das spart Ressourcen und steigert laut Z.ai die Präzision.
Laut CEO Zhang Peng braucht das Modell nur acht Nvidia H20-Chips, um produktiv betrieben zu werden. Zum Vergleich: GPT-4 von OpenAI soll mehrere Hundert Chips gleichzeitig benötigen.
Dabei handelt es sich beim H20 nicht einmal um Nvidias leistungsstärksten KI-Beschleuniger – sondern um eine „abgespeckte“ Version, die speziell für China entworfen wurde, um die US-Exportkontrollen zu umgehen.
Ironie des Markts: Die Bedrohung läuft auf Nvidia-Chips
Der vielleicht bitterste Punkt für Nvidia: Selbst die Technologie, die sie vor China schützen sollte, wird nun gegen sie eingesetzt. Zwar hatte Washington im April 2025 auch den Export der H20-Chips vorübergehend untersagt, doch Nvidia durfte im Juli wieder liefern.

Dass Z.ai nun gar keine neuen Chips mehr braucht, macht die Entscheidung zur Fußnote – und zeigt, wie unabhängig die chinesische Entwicklung bereits ist.
Ist die Wachstumsstory von Nvidia in Gefahr?
Noch feiert sich Nvidia. Der Aktienkurs ist allein seit Jahresbeginn um 34 Prozent gestiegen (Stand: 4. August 2025), der Konzern verdient Milliarden mit dem Verkauf von KI-GPUs an Hyperscaler wie Amazon, Microsoft und Meta. Doch der Markt verändert sich.
Mit GLM-4.5 etabliert sich in China eine ganz andere Philosophie: Statt milliardenschwere Rechenzentren zu bauen, wird auf Effizienz und Verfügbarkeit gesetzt.
Kein Wunder, dass Modelle wie DeepSeek und GLM-4.5 zunehmend außerhalb Chinas Interesse wecken – insbesondere bei Mittelständlern, Universitäten oder Unternehmen in Schwellenländern, die sich OpenAI oder Google nicht leisten können.
Open Source ist nicht mehr Spielerei – sondern Strategie
Was früher als technisches Hobby galt, ist jetzt geopolitisches Kalkül. GLM-4.5 ist quelloffen, kann kostenlos genutzt werden – und wird damit zur Plattform, nicht nur zum Produkt.
Für Nvidia bedeutet das: Je mehr Software sich auf billigere, zugängliche Systeme optimieren lässt, desto kleiner wird die Nachfrage nach High-End-Hardware.
Das Ende der Preis-Illusion
Lange schien es, als müsse man nur genug Geld in GPUs stecken, um KI zu skalieren. Doch die neuen Modelle zeigen: Weniger ist plötzlich mehr. Was Z.ai vorlegt, ist nicht nur ein Algorithmus – es ist ein Sparprogramm gegen die Nvidia-Logik.
Gelingt der internationale Durchbruch, könnte sich das gesamte Kostenmodell von KI-Infrastruktur verschieben – weg von gigantischen Capex-Summen, hin zu modularem Rechnen mit geringeren Einstiegshürden.
Noch ist Nvidia vorne – aber der Abstand schrumpft
Nvidia dominiert heute rund 80 Prozent des weltweiten Marktes für KI-Beschleuniger. Doch Marktanteile sind Momentaufnahmen. Was jetzt in China passiert, könnte mittelfristig ganze Geschäftsmodelle entwerten – nicht sofort, aber absehbar. Das gefährlichste Szenario: Wenn die Software von morgen keine teure Hardware mehr braucht.
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