ASML lebt von einem Alleinstellungsmerkmal: Ohne seine EUV-Lithografiemaschinen lassen sich modernste Chips nicht fertigen. Genau dieses Fundament gerät nun ins Wanken. Berichte über einen funktionsfähigen chinesischen EUV-Prototypen stellen erstmals infrage, ob die technologische Führungsposition des Konzerns auf Dauer unangreifbar bleibt.
Gleichzeitig passiert Erstaunliches: Institutionelle Investoren kaufen ASML-Aktien in großem Stil, und mit Intel nimmt einer der wichtigsten Kunden bereits die nächste Technologiestufe in Betrieb. Der Markt schwankt zwischen Alarm und Zuversicht.

Chinas Angriff auf den Burggraben
Nach Informationen von Reuters und Digitimes hat China unter maßgeblicher Beteiligung von Huawei einen EUV-Lithografie-Prototypen entwickelt, der bereits funktionsfähig sein soll. Intern wird das Projekt als „Manhattan-Projekt“ der chinesischen Halbleiterindustrie bezeichnet – ein Hinweis auf strategische Bedeutung und staatliche Priorität.
Die Maschine erzeugt demnach EUV-Licht und befindet sich in einer Testphase. Teile der Technologie sollen aus älteren Maschinen stammen, die über den Gebrauchtmarkt beschafft wurden. Hinzu kommt personelles Know-how: Ehemalige Ingenieure von ASML sollen in einer Hochsicherheitsanlage in Shenzhen an der Entwicklung beteiligt sein.
Realistisch erwartet China eine Serienreife frühestens um 2030, intern gilt 2028 als ambitioniertes Ziel. Das ist weit entfernt – aber näher, als es ASML lieb sein kann.
Zum ersten Mal echte Konkurrenz denkbar
Bislang galt EUV als praktisch uneinholbar. Die Komplexität der Technologie, die extremen Präzisionsanforderungen und die eng verzahnte Lieferkette machten ASML zum Monopolisten. Ein chinesischer Prototyp ändert daran kurzfristig nichts – langfristig aber sehr wohl.
Sollte es China gelingen, EUV-Maschinen für den eigenen Markt produktionsreif zu machen, würde ASML perspektivisch einen ganzen Absatzmarkt verlieren. Für westliche Kunden bliebe der Konzern zwar unverzichtbar, doch das Wachstumspotenzial wäre begrenzt.

Institutionelle Investoren ignorieren das Risiko
Bemerkenswert ist deshalb das Verhalten großer Investoren. Trotz der Schlagzeilen aus China bauen sie ihre Positionen deutlich aus. Im dritten Quartal 2025 erhöhte Flputnam Investment Management seine Beteiligung um mehr als 245 Prozent, Red Door Wealth Management stockte um gut 50 Prozent auf.
Die Botschaft ist klar: Die Bedrohung wird als langfristig eingepreist, nicht als unmittelbares Geschäftsrisiko. Viele Fondsmanager setzen darauf, dass ASMLs Vorsprung über Jahre hinweg Bestand hat – und dass mögliche Konkurrenz zunächst auf den chinesischen Binnenmarkt begrenzt bleibt.
Intel zementiert den technologischen Vorsprung
Operativ liefert ASML weiter Fakten. Intel hat als erster Kunde eine kommerzielle High-NA-EUV-Anlage vom Typ TWINSCAN EXE:5200B in Betrieb genommen. Diese Maschinen sind entscheidend für kommende Fertigungsknoten wie 14A und darüber hinaus.
Die Leistungsdaten unterstreichen den Abstand zur Konkurrenz: 175 Wafer pro Stunde bei einer Overlay-Präzision von 0,7 Nanometern. High-NA-EUV kann derzeit ausschließlich ASML liefern. Selbst wenn China technologisch aufholt, bleibt diese Generation westlichen Herstellern vorbehalten.
Analysten bleiben auf der Käuferseite
Auch die Analystenmehrheit zeigt sich gelassen. Rund 72 Prozent empfehlen die Aktie zum Kauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei über 1.170 Dollar. Im dritten Quartal übertraf ASML die Gewinnerwartungen erneut – ein Hinweis darauf, dass die operative Dynamik intakt ist.
Der Markt unterscheidet klar zwischen kurzfristiger Realität und langfristigem Risiko. Bis mindestens 2030 sind westliche Chipfertiger auf ASML angewiesen. Was danach passiert, hängt davon ab, ob Chinas EUV-Ambitionen den Sprung aus dem Labor in die industrielle Praxis schaffen.
Ein Risiko, aber kein Wendepunkt
Der „China-Schock“ ist real, aber er ist kein Gamechanger von heute auf morgen. ASMLs Monopol bröckelt nicht sofort, doch es ist nicht mehr theoretisch unantastbar. Für Investoren bleibt die Aktie ein Balanceakt zwischen technologischem Vorsprung und geopolitischer Realität.
Noch überwiegt die Zuversicht. Aber erstmals seit Jahren steht eine Frage im Raum, die früher niemand stellte: Wie lange bleibt ASML wirklich konkurrenzlos?


