20. Juni, 2025

Unternehmen

Chefwechsel bei Renault: De Meo geht

Der plötzliche Abgang von Luca de Meo stellt Renault vor gewaltige Herausforderungen. Während China drückt und Europa schwächelt, verliert der Autobauer seinen Architekten der Sanierung – mitten im Aufbruch.

Chefwechsel bei Renault: De Meo geht
De Meo geht – Renault wankt: Mitten im Umbau verliert der Konzern seinen Architekten der Wende. Die Nachfolge ist völlig offen.

Ein Abgang ohne Vorwarnung

Renault verliert seinen wichtigsten Mann – und das ohne jede Vorankündigung. Am Wochenende verkündete der französische Autobauer, dass CEO Luca de Meo den Konzern zum 15. Juli verlässt.

Der 58-Jährige, der Renault seit 2020 durch die schwerste Krise seiner Geschichte manövrierte, will künftig außerhalb der Autobranche arbeiten. Branchenkreisen zufolge zieht es ihn an die Spitze des Luxuskonzerns Kering.

Bestätigt ist das bislang nicht. Für Renault aber beginnt jetzt eine Phase der Unsicherheit.

Die Aktie fällt, das Staunen bleibt

Die Börse reagierte prompt: Während Renault-Aktien zum Wochenbeginn um rund sechs Prozent nachgaben, legte die Kering-Aktie um über acht Prozent zu. Für Renault ist der plötzliche Abgang nicht nur ein personeller Verlust.

Quelle: Eulerpool

Mit de Meo geht der Mann, der das scheinbar Unmögliche geschafft hat: einen Sanierungsfall in einen der profitabelsten Autobauer Europas zu verwandeln – und das inmitten von Pandemie, Chipkrise und Handelskonflikten.

Vom Sanierer zum Erneuerer

Als de Meo vor fünf Jahren übernahm, stand Renault am Abgrund. Die Bilanz wies einen Halbjahresverlust von 7,4 Milliarden Euro aus. Pro Tag verbrannte der Konzern zeitweise 40 Millionen Euro.

De Meo setzte auf eine radikale Kehrtwende, die er selbst „Renaulution“ taufte. Tausende Stellen wurden gestrichen, die Allianz mit Nissan schrittweise zurückgefahren, Verbrenner- und Elektrogeschäft organisatorisch entkoppelt.

Aus dem Trümmerhaufen wurde ein Konzern, der zuletzt Rekordgewinne ablieferte – als einziger europäischer Hersteller, der seine Prognosen nicht nach unten korrigieren musste.

Ampere als Schlüsselfigur – und doch unvollendet

Zentraler Baustein der Strategie war die neue Elektrotochter Ampere. Eigentlich war ein Börsengang geplant, um Ampere als europäische Antwort auf Tesla zu positionieren.

Doch das Interesse der Investoren blieb verhalten. Stattdessen fokussierte sich de Meo darauf, Renaults Markenimage über ikonische Elektromodelle wie den neuen R5 oder den R4 aufzuladen.

Eine Strategie, die auch bei Analysten wie Matthias Schmidt von Schmidt Automotive Research Anerkennung findet:

„De Meo hat Renault aus der Beliebigkeit geholt.“

Erfahrung als Erfolgsformel

Dass de Meo Marken neu erfinden kann, bewies er bereits mehrfach. Beim Fiat-Konzern brachte er den Cinquecento erfolgreich zurück, bei Seat schuf er mit Cupra eine sportliche Tochtermarke. Von Fiat Chrysler führte sein Weg zu Volkswagen und später an die Spitze von Renault.

Ampere ohne IPO: De Meos ambitionierter Plan, Renaults Elektrosparte an die Börse zu bringen, scheiterte am zögerlichen Kapitalmarkt.

Seine Fähigkeit, alte Markenbilder neu aufzuladen und gleichzeitig die Industrie umzustellen, machte ihn zu einem der gefragtesten Manager der Branche.

Wachsender Druck aus China und Brüssel

Doch trotz aller Erfolge bleibt die Lage für Renault schwierig. Die europäische Autoindustrie steckt in einem fundamentalen Wandel. Neue Emissionsregeln, hohe Regulierungskosten und ein wachsender Preisdruck durch chinesische Hersteller setzen die Konzerne unter Druck.

De Meo selbst sprach noch vor wenigen Monaten offen über die drohende „darwinistische Auslese“ in Europa. Dass er die Branche jetzt ganz verlässt, ist für viele Beobachter ein Alarmsignal.

Ein Konzern ohne Kapitän

Für Renault beginnt nun eine gefährliche Phase. Analyst Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management warnt:

„Der Markt wird härter, der Wettbewerb internationaler. Renault braucht jetzt erneut eine starke Führung, um sich zu behaupten.“

Besonders kritisch: Renaults Strategie gegen die chinesische Konkurrenz steckt noch in den Anfängen, der Umbauprozess ist nicht abgeschlossen, und die Suche nach Allianzen bleibt schwierig.

Rätselraten um den Nachfolger

Wer de Meo nachfolgt, ist völlig offen. Ein Name fällt allerdings immer wieder: Wayne Griffiths, bis März Chef von Seat und Cupra, enge Vertrauensperson von de Meo. Noch ist nichts entschieden.

Sicher ist nur: Die Latte liegt hoch. Renault braucht erneut jemanden, der bereit ist, Risiken einzugehen, alte Strukturen zu sprengen – und dabei einen Konzern durch den nächsten Sturm zu steuern.

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