08. Mai, 2025

Märkte

Camping-Boom mit Schattenseite – Wenn Wachstum in die Pleite führt

Trotz Rekordübernachtungen und Neuzulassungen geraten immer mehr Caravan-Händler und Vermieter in Schieflage. Ein Blick hinter die Kulissen einer Branche, die an ihrem eigenen Erfolg zu scheitern droht.

Camping-Boom mit Schattenseite – Wenn Wachstum in die Pleite führt
Voller Hof, leere Kassen: Trotz Rekordnachfrage blieben viele Fahrzeuge ungenutzt – bei Anbietern wie Roadfans oder Klinke Caravaning platzte das Geschäftsmodell unter den steigenden Zinslasten.

Ein Rekord jagt den nächsten – und doch melden sie Insolvenz an.

Das Jahr 2024 bescherte Deutschlands Campingbranche eine historische Bilanz: Fast 43 Millionen Übernachtungen auf deutschen Stellplätzen – ein neuer Höchstwert. Die Zahl der neu zugelassenen Wohnmobile bewegte sich erneut nahe am Allzeithoch.

Und dennoch: Während Camper weiter buchen, kaufen und reisen, taumeln immer mehr Anbieter am anderen Ende der Lieferkette in den wirtschaftlichen Abgrund. Was ist da los?

Der Eindruck trügt nicht – eine Insolvenzwelle hat die Branche erfasst, vor allem unter Vermietern und Händlern. Start-ups wie Roadfans, PlugVan und Off (ehemals CamperBoys) fielen im Herbst 2024 fast zeitgleich.

Marktgrößen wie Klinke Caravaning oder Freeway Camper folgten. Höfe voller Fahrzeuge, aber kein Geld mehr, um sie zu finanzieren.

Zu schnell gewachsen, zu teuer finanziert

Die Ursachen? Vielschichtig – doch eine dominiert: Der Boom selbst. Während der Corona-Pandemie war der Run auf Camper und Wohnmobile so stark, dass viele Anbieter in Windeseile ihre Flotten vervielfachten. Ein Wettlauf um Marktanteile begann, befeuert durch billiges Geld und euphorische Nachfrageprognosen.

Doch mit dem Ukraine-Krieg, gestörten Lieferketten und stark gestiegenen Zinsen drehte sich das Blatt. Fahrzeuge wurden verspätet ausgeliefert – und teurer. Händler und Vermieter standen plötzlich mit riesigen Fuhrparks da, die nicht mehr refinanzierbar waren.

„Wir mussten das Dreifache für Fahrzeugraten zahlen – während die Kundennachfrage nachließ“, sagt Markus Dickhardt, Gründer von Roadsurfer, einem der wenigen erfolgreichen Player, die bisher durchhielten.

Ein Winter zu lang – und der Frühling kam für manche zu spät

Das Geschäft mit dem Campingmobil ist saisonal – das war schon immer so. Doch der Winter 2024/25 wurde für viele zur Falle. Kaum Buchungen, keine Einnahmen – und gleichzeitig steigende Finanzierungskosten.

Saisongeschäft mit Strukturfehler: Wohnmobilvermietungen sind winteranfällig – doch viele Anbieter kalkulierten ihr Geschäftsmodell auf ein ganzjähriges Wachstum.
„Viele Unternehmen haben den Winter schlichtweg nicht überlebt“, heißt es nüchtern beim Deutschen Caravaning Handels-Verband (DCHV).

Einige fanden Investoren, andere Käufer – viele mussten liquidiert werden. Für die Kunden bedeutet das: Wer bereits gebucht hat, bleibt oft auf seinen Kosten sitzen.

Marktkorrektur statt Marktversagen

In der Branche spricht man von einer gesunden Bereinigung. „Der Campingmarkt wächst stabil, aber nicht exponentiell“, sagt DCHV-Geschäftsführerin Ariane Finzel. Viele Start-ups hätten auf Hyperwachstum gesetzt – ein Fehler in einem Sektor, der traditionell von stabiler Nachfrage, aber nicht von Skaleneffekten lebt.

„Es ist kein Nachfrageproblem, es ist ein Problem falscher Erwartungen und zu optimistischer Finanzierungsmodelle“, meint auch Dickhardt. Der Markt normalisiere sich, und mit ihm die Produktionsstrategien der Hersteller.

Wer jetzt durchhalte, könne ab Spätsommer sogar von der Situation profitieren. Denn: Die Lager sind voll – und das bedeutet: Rabatte.

Was bleibt? Ein realistischer Blick auf den Boom

Der Camping-Hype hat viele Gewinner hervorgebracht, aber ebenso gezeigt, wie schnell Wachstum zur Hypothek werden kann. Während der Endkunde weiter bucht und träumt, kämpfen die Anbieter um Liquidität, Flexibilität – und Überleben.

Die Devise für 2025 lautet: Tempo rausnehmen. Wieder auf Vorbestellungen statt Überproduktion setzen. Und solide statt spektakulär wirtschaften. Die Kundenbasis ist da, die Nachfrage stabil. Was fehlt, ist ein Geschäftsmodell, das auch einen Winter lang atmen kann. Und Zinsen, die nicht jeden Camper zum Risikoobjekt machen.

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