Joachim Nagel, der Präsident der Deutschen Bundesbank, hat im Zusammenhang mit der jüngsten Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank (EZB) zu Besonnenheit und Geduld aufgerufen. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk bezeichnete Nagel die kürzlich erfolgte Anpassung des Leitzinses als „angemessen“ und betonte, dass die gegenwärtige Zinspolitik den neutralen Bereich erreicht habe. Diese Situation eröffnet die Möglichkeit, die makroökonomischen Entwicklungen genau zu beobachten, bevor weiterreichende geldpolitische Entscheidungen getroffen werden. Die aktuelle Zinssituation bietet einen hohen Grad an Flexibilität und vermeidet die Notwendigkeit eines sofortigen Handelns.
Ein neutrales Zinsniveau ist erreicht, wenn der Leitzins weder einen dämpfenden noch einen stimulierenden Effekt auf die wirtschaftliche Entwicklung ausübt. Dieses Niveau ist gegenwärtig besonders wünschenswert, da es Stabilität in einer Phase wirtschaftlicher Unsicherheit vermittelt. Angesichts der Tatsache, dass die Leitzinsen bereits zum achten Mal seit Juni 2024 gesenkt wurden, verdichten sich die Hinweise darauf, dass die EZB eine mögliche Pause einlegen könnte. Der Einlagensatz, der für Banken und Sparer von zentraler Bedeutung ist, wurde um 0,25 Prozentpunkte auf nunmehr 2,0 Prozent reduziert. Diese Senkung könnte die Kreditkosten verringern und somit die schwächelnde Wirtschaft im Euroraum unterstützen, auch wenn Sparer mit geringeren Erträgen aus Tages- und Festgeldern konfrontiert werden.
Fachleute sind der Ansicht, dass die EZB bei ihrer nächsten Sitzung im Juli möglicherweise eine Unterbrechung der Zinssenkungen in Erwägung ziehen könnte, insbesondere angesichts der unklaren Auswirkungen des laufenden Zollstreits zwischen den USA und der EU auf das Wirtschaftswachstum und die Inflation. Die Inflation im Euroraum ist zuletzt deutlich zurückgegangen, wodurch der Druck auf eine Zinsanhebung nachgelassen hat. Trotz des Rückgangs der Inflation bleiben die Verbraucher jedoch weiterhin von den gestiegenen Preisen betroffen. Nach einer vorläufigen Schätzung von Eurostat sank die Inflationsrate im Mai auf 1,9 Prozent und liegt damit unter dem angestrebten mittelfristigen Ziel der EZB von 2,0 Prozent.