Der Bund greift so tief in die Kasse wie nie zuvor, um steigende Strompreise abzufedern. Für das Jahr 2026 kalkuliert das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft mit staatlichen Zuschüssen von insgesamt 29,5 Milliarden Euro. Es ist ein historischer Höchstwert – und ein politisches Signal in Zeiten hoher Energiepreise, schwacher Konjunktur und wachsender Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland.
Doch je größer die Summe, desto lauter die Kritik. Energieökonomen und politische Berater bezweifeln, dass milliardenschwere Subventionen dauerhaft tragfähig sind.
Milliarden gegen steigende Strompreise
Der errechnete Betrag setzt sich aus mehreren Bausteinen zusammen. Dazu zählen Mindereinnahmen durch die gesenkte Stromsteuer in Höhe von 3,9 Milliarden Euro, 1,5 Milliarden Euro für den ab 2026 geltenden Industriestrompreis sowie ein Zuschuss von 6,5 Milliarden Euro zur Dämpfung der Entgelte für das Übertragungsnetz.

Hinzu kommen rund drei Milliarden Euro für die Strompreiskompensation, von der derzeit etwa 340 besonders stromintensive Unternehmen profitieren. Sie erhalten einen teilweisen Ausgleich für die Kosten aus dem europäischen Emissionshandel, die Kraftwerksbetreiber über höhere Strompreise weiterreichen. Die Bundesregierung plant, diesen Kreis auszuweiten.
Der größte Einzelposten entfällt jedoch auf die Förderung der erneuerbaren Energien nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Die Übertragungsnetzbetreiber beziffern den Finanzbedarf hierfür auf rund 14,6 Milliarden Euro – eine Größe, die stark von der Entwicklung der Großhandelspreise abhängt und daher mit Unsicherheiten behaftet ist.
Kritik an teurer Symptombekämpfung
„Kurzfristig werden sehr hohe Zuschüsse gezahlt, um die Preise im Zaum zu halten“, sagt Andreas Fischer, Energieexperte beim IW. „Langfristig ist das eine sehr teure Lösung, die nicht an den Ursachen ansetzt.“ Stattdessen brauche es einen effizienteren Netzausbau und eine bessere Verzahnung von Stromnetzen und erneuerbaren Energien.
Diese Einschätzung teilt auch die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission zum Energiewende-Monitoring. In ihrem jüngsten Bericht warnt sie davor, Entlastungen aus dem Staatshaushalt zur Dauerlösung zu machen. Vorrang sollten Maßnahmen haben, die die Systemkosten senken und die Effizienz der Energiewende erhöhen.

Historischer Vergleich zeigt Dimension
Wie stark die staatlichen Eingriffe zugenommen haben, zeigt der Rückblick. Im Jahr 2020 beliefen sich die öffentlichen Mittel zur Finanzierung des Stromsystems laut IW auf lediglich 4,13 Milliarden Euro. Darin enthalten waren Steuervergünstigungen und die Strompreiskompensation – massive Krisenmaßnahmen wie in den Jahren 2022 und 2023 sind dabei noch nicht eingerechnet.
Heute ist das Preisniveau deutlich höher. Strom hat sich in den vergangenen zwölf Monaten um 6,6 Prozent verteuert. Deutschland zählt seit Jahren zu den Ländern mit den höchsten Strompreisen in Europa – für Haushalte ebenso wie für Industrieunternehmen.
Netze und Förderung treiben die Kosten
Zu den zentralen Kostentreibern zählen die Netzentgelte. Der Umbau des Stromsystems erfordert Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe, um erneuerbare Energien, Elektromobilität und neue Verbraucher anzubinden. Diese Kosten schlagen direkt auf die Stromrechnungen durch.
Auch die Förderung erneuerbarer Energien bleibt teuer. Zwar wurde die EEG-Umlage Mitte 2022 abgeschafft, doch die Finanzierung erfolgt seither über den Klima- und Transformationsfonds. Für Verbraucher bedeutet das keine Entlastung, sondern lediglich eine Verlagerung der Kosten in den Bundeshaushalt.
Versprechen nur teilweise eingelöst
Die Bundesregierung hatte weitergehende Entlastungen angekündigt – etwa eine Senkung der Stromsteuer für alle Verbrauchergruppen auf das europarechtliche Mindestniveau. Umgesetzt wurde dies bislang nur für Industrie sowie Land- und Forstwirtschaft. Private Haushalte und viele Dienstleister gingen leer aus.
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil hatte dies mit fehlenden Haushaltsmitteln begründet. Wort gehalten wurde immerhin beim Zuschuss von 6,5 Milliarden Euro zu den Übertragungsnetzentgelten.
Effizienz statt Dauer-Subventionen
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche verweist darauf, die Energiewende effizienter gestalten zu wollen. Im September stellte sie zehn Maßnahmen vor, die langfristig die Kosten des Systems senken sollen. Dazu gehören eine Reform der Fördermechanismen und eine stärkere Orientierung des Ausbaus erneuerbarer Energien am tatsächlichen Netzausbau.
Ob diese Reformen greifen, bleibt offen. Fest steht jedoch: Mit fast 30 Milliarden Euro Subventionen im Jahr 2026 erkauft sich der Staat Zeit. Die strukturellen Probleme des Stromsystems sind damit nicht gelöst – nur vertagt.



