06. Dezember, 2025

Brüssel schlägt zu: Warum die EU ausgerechnet jetzt Elon Musks X ins Visier nimmt

Trotz Protest aus Washington setzt die EU ein machtpolitisches Signal – und belastet ein ohnehin angespanntes transatlantisches Verhältnis.

Brüssel schlägt zu: Warum die EU ausgerechnet jetzt Elon Musks X ins Visier nimmt
Die EU verhängt erstmals eine DSA-Strafe – und trifft Elon Musks X mit 120 Millionen Euro. Der Konflikt belastet das Verhältnis zu den USA.

Brüssel nutzt den Moment

Die EU-Kommission hat ihren ersten DSA-Härtefall gewählt – und ihn bewusst gewählt. 120 Millionen Euro Strafe für X, weil die Plattform gegen Transparenzpflichten verstößt. Ein Vorgang, der technische Details berührt, aber politisch wirkt wie ein Paukenschlag. Die Reaktionen aus Washington zeigen, wie tief der Eingriff reicht.

Die US-Regierung warnte Brüssel im Vorfeld, der Vizepräsident sprach von einem Angriff auf Meinungsfreiheit, und Donald Trump bezeichnete europäische Digitalgesetze längst als wirtschaftsfeindlich. Dennoch setzt die Kommission ihren Kurs fort. Sie will sichtbar machen, dass der Digital Services Act kein Papiertiger ist – und dass die großen Plattformen sich nicht dauerhaft über europäische Regeln hinwegsetzen können.

Das Verifikationssymbol wird zum politischen Risiko

Im Zentrum der Entscheidung steht ein Detail, das Musk nie als politisches Thema sah: der blaue Verifizierungshaken. Seit der Öffnung für zahlende Nutzer haben sich Fehlverifikationen gehäuft, teils mit realen Folgen. Unternehmen wurden durch Fake-Accounts imitiert, Politiker durch täuschend echte Profile ersetzt.

Brüssel ordnet das als irreführende Praxis ein. 45 Millionen Euro entfallen allein auf dieses Element. Die Kommission argumentiert, dass das Symbol für Nutzer den Eindruck offizieller Identität erwecke – ein Eindruck, der längst nicht mehr gewährleistet sei. Für die EU ist das keine kosmetische Frage, sondern ein systemisches Risiko: Verwechslungen befeuern Desinformation, und Desinformation ist seit Jahren eines der wunden Punkte europäischer Regierungen.

Der Streit um Datenzugang wird zur Machtfrage

Die zweite Säule der Strafe sind 40 Millionen Euro für verweigerten Zugang zu Forschungsdaten. Seit Monaten beklagen Universitäten und Thinktanks, dass X Schnittstellen eingeschränkt und damit die Analyse von Desinformationsnetzwerken erschwert habe.

Für die Kommission ist das ein Angriff auf die eigenen Kontrollmechanismen. Der DSA verlangt, dass Plattformen unabhängige Forschung ermöglichen – nicht als Wohltat, sondern als Voraussetzung für Regulierung. Wer diese Zugänge abschneidet, nimmt der EU die Möglichkeit, Risiken zu quantifizieren. Genau diese Lücke will Brüssel nicht hinnehmen.

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Werbung ohne Transparenz unterläuft die europäischen Regeln

Der dritte Block der Strafe – 35 Millionen Euro – betrifft Werbung. Der DSA verlangt ein öffentliches Anzeigearchiv, das nachvollziehbar macht, wer welche Inhalte bewirbt. Für Wahlkämpfe, Jugendschutz und Verbraucherschutz gilt das als zentrale Kontrollfunktion.

X dokumentiert diese Anzeigen nach Einschätzung der Behörden unzureichend. Für die Kommission ist das mehr als ein formaler Verstoß. Sie sieht darin die Gefahr, dass politische Werbung unerkannt zirkuliert, dass manipulative Inhalte schwerer nachzuverfolgen sind und dass staatliche Stellen im Ernstfall blind agieren. TikTok hat entsprechende Vorgaben inzwischen akzeptiert, X dagegen nicht.

Washington und Brüssel ringen um Deutungshoheit

Der Zeitpunkt der Eskalation ist kein Zufall. Die US-Regierung legte zeitgleich ihre Sicherheitsstrategie vor – ein Papier, das ungewöhnlich scharf vor „Zensur“ in Europa warnt. Hinter den Formulierungen steckt nicht nur Sorge um Grundrechte, sondern auch eine industriepolitische Botschaft: Die USA fürchten einen Regulierungsrahmen, der amerikanische Tech-Riesen strukturell benachteiligt.

Brüssel wiederum interpretiert die Kritik als überzogen und sieht im DSA ein Instrument, das europäische Bürger schützen soll – unabhängig davon, wo Plattformen ihren Hauptsitz haben. Dass X der erste große Fall ist, verstärkt die Symbolik. Der Streit wird damit zum Prüfstein für das Selbstverständnis Europas in der digitalen Ordnung.

Der Konflikt geht jetzt erst los

Musk dürfte juristisch gegen die Strafe vorgehen; der Weg bis zum Europäischen Gerichtshof ist nahezu programmiert. Für die EU-Kommission ist klar, dass sie den ersten DSA-Fall nicht verlieren darf. Ein Scheitern vor Gericht würde das gesamte Regelwerk beschädigen.

Für X hingegen ist die Strafe nur eine Etappe. Weitere Verfahren laufen, unter anderem wegen mutmaßlich unzureichender Moderation illegaler Inhalte. Die Auseinandersetzung zwischen Plattform, Regulierung und politischem Umfeld zeigt: Der digitale Ordnungsrahmen entsteht gerade erst – und niemand will die Deutungshoheit aus der Hand geben.

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