05. November, 2025

Politik

Brüssel regelt weiter – und weiter

Ein geleakter Entwurf zur EU-Ratspräsidentschaft zeigt: Die Bürokratie in Brüssel wächst ungebremst. Statt Entlastung für Bürger und Unternehmen plant die Kommission 60 neue Gesetze und 160 Wiederauflagen. Von Steuerpflichten bis Tierchips – die Regulierung kennt keine Pause.

Brüssel regelt weiter – und weiter
Zypern übernimmt 2026 den Vorsitz: Das geleakte Arbeitsprogramm zeigt, dass die EU weiterhin auf Expansion der Regulierung setzt.

Ein Brandbrief, der verhallt

Sechzehn Staats- und Regierungschefs – darunter Emmanuel Macron, Giorgia Meloni und Friedrich Merz – hatten Brüssel jüngst einen dringenden Appell geschickt. Die Botschaft war klar: Schluss mit Überregulierung, Schluss mit bürokratischem Wildwuchs. Mittelständler sollten von endlosen Berichtspflichten befreit, Investitionen durch schnellere Genehmigungsverfahren erleichtert werden.

Doch die Antwort aus der EU-Zentrale fiel erwartungsgemäß aus: Verständnisvolle Worte, gefolgt von neuen Vorschriften. Statt den Ballast abzuwerfen, schultert Brüssel den nächsten Rucksack. Die EU-Entwaldungsverordnung bleibt, neue Berichtspflichten kommen – nur die kleinsten Betriebe dürfen kurz aufatmen.

60 neue Gesetze – 160 alte wiederbelebt

Der Nachrichtendienst Euractiv hat das interne Arbeitsprogramm der EU-Kommission für 2026 und den Vorsitz Zyperns geleakt. Das Ergebnis: Statt eines Kurswechsels droht ein Regulierungsorkan.

Geplant sind 60 neue Verordnungen – von der Kreislaufwirtschaft bis zur Airbnb-Regulierung, von Praktikantenschutz bis Cloud-Governance. Dazu kommen 160 Wiedervorlagen älterer Gesetzesinitiativen, die bislang in Brüssels Schubladen ruhten.

Auch Alltägliches wird europäisiert: Müllreduktion in Privathaushalten, Rattenbekämpfung nur noch durch zertifizierte Schädlingsbekämpfer, verpflichtende Schulungen für Landwirte. Bürger sollen weniger eigenständig handeln – und mehr dokumentieren.

Vom Führerschein bis zur Hauskatze

Das Gesetzespaket liest sich wie ein Katalog staatlicher Allgegenwart. Vorgesehen sind unter anderem:

  • EU-weite Fahrverbote bei Alkohol am Steuer durch den neuen digitalen Führerschein,
  • Chip-Pflicht für Hunde und Katzen,
  • höhere Tabaksteuern,
  • ein Sozialversicherungspass für alle EU-Bürger,
  • neue Vorschriften für Schulspeisungen,
  • eine Wiederaufnahme der umstrittenen Chatkontrolle.

Parallel arbeitet die Kommission an der Einführung des digitalen Euro und eines einheitlichen digitalen Personalausweises – beides mit tiefgreifenden Konsequenzen für Datenschutz, Zahlungsverkehr und Bürgerrechte.

Ein Programm ohne Bremse

Das geleakte Programm liest sich wie das Gegenteil dessen, was Brüssel versprochen hatte. Anstelle von Bürokratieabbau stehen neue Eingriffe auf der Agenda. Sogar Bereiche, die bisher national geregelt waren – etwa Post- und Baudienstleistungen oder Fragen der Arbeitsqualität – sollen nun von der EU neu definiert werden.

Die Kommission will zudem eine EU-Gesundheitsunion aufbauen, eine Spar- und Investitionsunion etablieren und gleichzeitig die Klimagesetzgebung weiter ausweiten. Was fehlt, ist das Wort „Deregulierung“. Stattdessen spricht Brüssel lieber von „Vereinfachung“ – ein semantischer Trick, der in der Praxis meist mehr Verwaltung bedeutet, nicht weniger.

Subsidiarität? Nur auf dem Papier

Offiziell verpflichtet sich die EU seit Maastricht, das Subsidiaritätsprinzip zu achten – also nur dort tätig zu werden, wo nationale Lösungen nicht greifen. In der Praxis aber dehnt sich der Brüsseler Einflussbereich stetig aus.

Beispiel Migrationspolitik: Der geplante Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention soll dazu führen, dass Urteile des EGMR künftig für die gesamte EU bindend werden. Damit könnten Entscheidungen zu Grenzschutz oder Abschiebungen nicht mehr auf nationaler Ebene getroffen werden.

Auch Klimaschutz wird einklagbar. Nach dem Schweizer Präzedenzfall der „Klimaseniorinnen“ dürfte Brüssel künftig kaum noch Handlungsspielraum haben, wenn Gerichte den Gesetzgeber an seine eigenen Ziele erinnern.

Geopolitik und Regulierung – ein gefährlicher Mix

Zwischen Regulierungswelle und Symbolpolitik versucht Brüssel, auch außenpolitisch mitzuspielen: Mit Grönland soll ein Assoziierungsabkommen geschlossen werden – wohl aus Sorge, die rohstoffreiche Insel könne erneut in Washingtons Fokus geraten.

Dazu kommen Finanzhilfen für Jordanien, Strategien gegen Armut, neue Fischereiquoten im Mittelmeer und eine Kooperation mit den Cook-Inseln. All das klingt nach Aktivität, doch die Frage bleibt: Wie viel davon dient Europas Bürgern – und wie viel der eigenen Verwaltungsmaschinerie?

Zypern setzt den Kurs – und er bleibt der alte

Der neue Ratsvorsitz unter Zypern wird die Linie nicht ändern. Auf 40 Seiten bestätigt der Entwurf, was viele befürchtet haben: Statt echter Entlastung plant Brüssel, die bestehende Agenda der Kommission von Ursula von der Leyen fortzuführen.

„Vereinfachung“ ist das Schlagwort – gemeint ist aber meist eine Ausweitung bestehender Pflichten. Selbst das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken, wird mit neuen bürokratischen Konstrukten verfolgt.

So droht ausgerechnet jene Kommission, die sich als „besser, schlanker, bürgernäher“ verstanden wissen will, die Regulierungsdichte auf ein historisches Hoch zu treiben.

Europas Bürokratie – ein System ohne Exit

Brüssel produziert Verordnungen, Mitgliedstaaten setzen sie um, nationale Behörden kontrollieren sie. Niemand trägt allein die Verantwortung, und genau das macht das System so träge.

Die Kommission verweist auf das Parlament, das Parlament auf den Rat, der Rat auf die Mitgliedstaaten. Am Ende bleibt der Bürger, der den bürokratischen Überbau finanziert – und ihn kaum noch versteht.

Während Politiker über Wettbewerbsfähigkeit reden, droht Europa an seiner eigenen Verwaltung zu ersticken.

Die Gefahr der Selbstüberhitzung

Europa braucht Regeln – aber keine, die sich selbst im Kreis drehen. Der jüngste Entwurf zeigt, dass Brüssel weiterhin versucht, auf jedes Problem mit einer neuen Vorschrift zu reagieren.

Doch jedes Gesetz, jede Verordnung, jeder Bericht kostet Vertrauen, Zeit und Kapital. Die Union, die einst gegründet wurde, um Freiheit und Handel zu fördern, droht sich in ihrem Regelwerk selbst zu verheddern.

Wenn Europa bestehen will, muss es lernen, auch einmal nicht zu handeln.

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