24. November, 2025

Wirtschaft

Brüssel räumt auf – Warum die EU ihre Nachhaltigkeitsregeln neu schreibt

Die EU-Kommission legt einen Entwurf zur Reform der SFDR vor. Aus einem überkomplexen Regelwerk sollen drei klar definierte Kategorien werden – mit weniger Bürokratie, klareren Ausschlüssen und einem Signal gegen Greenwashing. Die Finanzbranche atmet auf, doch nicht alle Probleme sind gelöst.

Brüssel räumt auf – Warum die EU ihre Nachhaltigkeitsregeln neu schreibt
Die EU-Kommission will die überfrachtete SFDR radikal vereinfachen – mit drei neuen ESG-Kategorien, weniger Offenlegungspflichten und bis zu 56 Millionen Euro jährlichen Kosteneinsparungen. Kritiker warnen jedoch, dass ohne klare Schwellenwerte und strengere Kontrollen das Greenwashing-Risiko bestehen bleibt.

Die Reform beginnt dort, wo der Frust am größten war

Die EU-Kommission hat ein Problem anerkannt, das die Branche seit Jahren beschäftigt: Die Offenlegungsverordnung SFDR sollte Transparenz schaffen – und wurde zum Bürokratiemonster. Artikel 8 und 9, eigentlich nur Offenlegungspflichten, mutierten in der Praxis zu inoffiziellen Produktlabels. Was als Orientierungshilfe gedacht war, führte zu Unsicherheit, Greenwashing-Vorwürfen und einem Markt, in dem selbst Experten kaum noch durchstiegen.

Jetzt liegt der Reformvorschlag auf dem Tisch. Und er fällt überraschend deutlich aus.

Brüssel will die Offenlegungsverordnung grundlegend neu ausrichten – weg von komplizierten Pflichttexten, hin zu klaren Kategorien, weniger Offenlegung und einem System, das auch kleinere Anbieter nicht überfordert.

Es ist der bisher weitreichendste Versuch, das europäische Nachhaltigkeitsregelwerk wieder funktionsfähig zu machen.

Drei Kategorien statt eines Chaos – die neue Architektur der SFDR

Der Kern der Reform: Drei definierte Produktgruppen, die den bisherigen Wildwuchs ersetzen sollen.

1. Die „Nachhaltige Kategorie“
Produkte, die heute als besonders streng gelten würden. Investitionen müssen nachweislich konkrete Klima-, Umwelt- oder Sozialziele unterstützen. Fossile Brennstoffe, Tabak, verbotene Waffen und Menschenrechtsverstöße sind ausgeschlossen. Unternehmen, die fossile Aktivitäten ausbauen, ebenfalls.

2. Die „Übergangskategorie“
Die wichtigste Neuerung. Produkte dürfen in Unternehmen investieren, die noch nicht nachhaltig sind – aber auf einem glaubwürdigen Transformationspfad. Fossile Energie bleibt möglich, sofern keine Expansion stattfindet. Genau diese Kategorie fehlte bislang: Sie erlaubt realistischere Portfoliokonstruktionen, ohne das Nachhaltigkeitsziel aufzuweichen.

3. Die „ESG-Grundlagenkategorie“
Eine breite Gruppe für traditionelle ESG-Ansätze wie Best-in-Class oder Ausschlussstrategien. Tabak, Kohle und schwere Menschenrechtsverstöße bleiben ausgeschlossen.

Für alle drei gilt: Mindestens 70 Prozent des Portfolios müssen der jeweiligen Strategie folgen. Nur Produkte, die sich einer Kategorie eindeutig zuordnen lassen, dürfen künftig ESG-Begriffe im Namen tragen.

Brüssel zieht damit erstmals eine klare Grenze zwischen Marketing und Substanz.

Weniger Offenlegung, weniger Chaos – und deutlich geringere Kosten

Eine weitere markante Änderung betrifft die Pflichten der Unternehmen. Bisher mussten Finanzmarktteilnehmer mit mehr als 500 Mitarbeitern umfangreiche „Principal Adverse Impacts“ offenlegen – ein Aufwand, der vor allem kleinere Häuser ausbremste und enorme externe Beratungskosten erzeugte.

Künftig entfällt diese Pflicht für die Mehrheit der Unternehmen. Nur die größten Marktteilnehmer sollen weiter berichten müssen, allerdings ohne dass die EU-Konmission bislang klare Schwellenwerte nennt.

Laut Kommission werden dadurch 56 Millionen Euro pro Jahr an wiederkehrenden Kosten eingespart. Für den europäischen Fonds- und Versicherungsmarkt ist das ein beachtlicher Betrag – und ein politisches Argument, das man in Brüssel bewusst prominent platziert.

Auch die Produktinformationen werden radikal verschlankt: maximal zwei Seiten, weniger Themenblöcke, mehr Vergleichbarkeit. Ein Ende der 30-seitigen ESG-Reports, wie sie heute teils üblich sind.

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Flexiblere Rolle der EU-Taxonomie – ein pragmatischer Schritt

Die Taxonomie, ursprünglich als strenge Definition nachhaltiger Aktivitäten geplant, wird in das neue System flexibler eingebunden. Produkte müssen sie nicht zwingend nutzen – aber wer mindestens 15 Prozent taxonomiekonforme Vermögenswerte hält, erfüllt automatisch das 70-Prozent-Kriterium für einen „positiven Beitrag“.

Ein bemerkenswerter Anreiz, denn bisher wurde die Taxonomie in der Praxis kaum angewendet. Zu eng, zu technisch, zu wenig verfügbar.

Mit der Reform könnte sie erstmals in der Breite an Bedeutung gewinnen.

Greenwashing, Green Hushing – und ein politisches Signal

Die EU-Kommission will zwei Probleme auf einmal angehen:

  1. Greenwashing – Produkte, die nachhaltiger verkauft werden, als sie sind.
  2. Green Hushing – Anbieter, die echte Nachhaltigkeitsstrategien verstecken, um keine Angriffsfläche zu bieten.

Klare Ausschlüsse und feste Kategorien sollen beides eindämmen. Gleichzeitig stellt Brüssel klar, dass Verteidigungsinvestitionen nicht grundsätzlich behindert werden – eine Abkehr von der Logik, nachhaltige Anlagen müssten automatisch „zivil“ sein.

Damit reagiert die Kommission auf ein Europa, das sicherheitspolitisch neu denkt.

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Die Branche reagiert – erleichtert, aber nicht überschwänglich

Der Fondsverband BVI begrüßt die Reform als „weitgehend gelungen“ und lobt insbesondere die geringere Bürokratie. Auch die Versicherer sind positiv gestimmt. GDV-Geschäftsführer Jörg Asmussen hebt hervor, dass Informationen zu nachhaltigen Anlageprodukten künftig auf maximal zwei Seiten passen sollen – ein Vorteil für Vermittler und Versicherte.

Doch es bleibt Kritik. Der BVI fordert eine Anpassung der Vertriebsvorgaben: Die Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen im Beratungsgespräch sei weiterhin zu kompliziert und nicht auf die neuen Kategorien abgestimmt.

Ohne diese Anpassung könnte der Vertrieb nachhaltiger Produkte weiter unnötige Hürden aufweisen.

Die entscheidende Frage: Wird das neue System in der Praxis funktionieren?

Die Reform hat das Potenzial, ein dysfunktionales Regelwerk zu entschlacken und nachhaltige Produkte endlich verständlich zu machen. Doch die Umsetzung hängt an mehreren Punkten:

  • Wird die Übergangskategorie von der Branche ernst genommen – oder als Hintertür genutzt?
  • Können kleinere Anbieter tatsächlich profitieren, oder bleiben die technischen Standards ein Hemmschuh?
  • Und vor allem: Wie konsequent kontrolliert Brüssel künftig Fehlkennzeichnungen?

Klar ist nur eines: Die Reform ist kein Feinschliff, sondern ein Paradigmenwechsel.

Wenn das neue SFDR-System funktioniert, könnte Europa zum weltweit ersten Markt werden, der Nachhaltigkeit verständlich, skalierbar und regulatorisch stabil gestaltet.

Wenn es scheitert, steht die Branche 2027 erneut am Anfang – mit neuen Regeln, neuen Konflikten und derselben Verwirrung wie heute.

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