30. Juni, 2025

Börse

Börse im Krisenmodus – zwei Szenarien, ein Ziel: Stabilität im Depot

Zölle, Kriege, Inflation – die Finanzmärkte scheinen immun gegen die schlechte Nachrichtenlage. Doch wie lange noch? Zwei denkbare Entwicklungen und wie sich Anleger klug positionieren.

Börse im Krisenmodus – zwei Szenarien, ein Ziel: Stabilität im Depot
Europäische Versorger wie E.ON gelten als sichere Häfen – ihr Heimatfokus schützt sie vor globalen Handelskonflikten und Energiepreisrisiken.

Markt ohne Nerven?

Zehn Prozent Zölle auf EU-Importe, eine fragile Waffenruhe zwischen Israel und dem Iran, explodierende Energiepreise – und trotzdem steigen die Aktienkurse. Was nach Paradox klingt, ist aktuell Realität.

Fondsmanager Hans Schiefen bringt es auf den Punkt: „All diese Risiken scheinen dem Markt gerade völlig egal zu sein.“

Doch diese Ruhe könnte trügen. Der Markt ignoriert derzeit vieles – womöglich zu vieles.

Szenario 1: Das kontrollierte Chaos

Geht alles gut, erleben Anleger ein moderates Jahr. Ölpreise bleiben stabil, der Handelskonflikt mit den USA entschärft sich, die Inflation pendelt sich bei knapp über zwei Prozent ein. Europa profitiert von Kapitalzuflüssen, weil große Investoren ihre Übergewichtung in US-Aktien abbauen.

Fonds wie der „Incrementum All Seasons“ setzen deshalb zunehmend auf europäische und japanische Aktien. Auch defensive Branchen wie Energie oder Versorger gelten als relativ wetterfest.

Die Idee dahinter: Wenn es knirscht, dann lieber in stabilen Regionen investiert sein – weit weg von Krisenherden und politischen Schachzügen.

Öl als geopolitische Waffe: Ein Fünftel des globalen Ölverbrauchs passiert täglich die Straße von Hormus – jede Eskalation dort kann die Weltwirtschaft treffen.

Szenario 2: Der Dominoeffekt

Ein zweites Szenario sieht düsterer aus: Steigende Ölpreise infolge erneuter Angriffe auf iranische Einrichtungen, eine vollständige Blockade der Straße von Hormus, verschärfte US-Zölle auf Importe – und damit eine Inflationsspirale, die kaum noch zu bremsen ist.

Ein Barrel Öl der Sorte Brent hatte nach dem ersten israelischen Luftschlag zeitweise 80 US-Dollar überschritten – ein Anstieg um über 20 %. Zwar hat sich der Preis inzwischen wieder beruhigt. Aber jeder weitere Zwischenfall kann neue Schockwellen auslösen.

Für Europa, das stark auf Energieimporte angewiesen ist, wäre das ein toxischer Cocktail: Stagflation – also stagnierendes Wachstum bei gleichzeitig steigenden Preisen – wird zum realen Risiko.

Kapitalflucht aus den USA?

Unabhängig vom kurzfristigen Geschehen könnte eine langfristige Verschiebung im globalen Kapitalfluss einsetzen. Fondsmanager Schiefen sieht die USA als „alternde Supermacht“. Gemeint ist damit nicht nur die politische Instabilität, sondern auch die zunehmende Skepsis gegenüber dem Dollar.

US-Aktien gelten als teuer, die Schuldenlast ist hoch, das Vertrauen in langfristige Stabilität sinkt. In der Folge: mehr Kapital für Europa, für rohstoffreiche Länder mit politischer Berechenbarkeit – und weniger für die USA.

Ein Trend, der sich in den kommenden Jahren verstärken könnte, wenn Trumps Konfrontationskurs anhält.


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Sicherheit ist relativ – aber machbar

Was können Anleger tun? Wer mit den Szenarien spielt, kann sein Depot entsprechend aufstellen:
• Aktien von Energieunternehmen mit Förderstandorten außerhalb der Krisenregionen – etwa Equinor, Chevron oder TotalEnergies.
• Europäische Versorger wie E.ON oder Iberdrola – stabil, defensiv, inflationsresistent.
• Physisches Gold oder goldgedeckte ETCs – nicht spektakulär, aber bewährt in Zeiten geopolitischer Unsicherheit.

Und: mehr Diversifikation außerhalb der USA. Schwellenländerfonds, ausgewählte europäische Titel, japanische Blue Chips – all das kann ein Gegengewicht zur überhitzten US-Börse sein.

Zwischen Wahnsinn und Wirklichkeit

Die Finanzmärkte handeln Erwartungen – nicht Fakten. Das macht sie unberechenbar, aber auch faszinierend. In den Kursen steckt derzeit Hoffnung: auf Entspannung im Nahen Osten, auf wirtschaftliche Vernunft im Weißen Haus, auf Preisdruck, der bald nachlässt.

Doch die Weltlage spricht eine andere Sprache. Anleger sollten sich nicht blenden lassen. Wer jetzt klug diversifiziert, nicht überhebelt agiert und langfristig denkt, ist besser aufgestellt als jene, die in der Ruhe vor dem Sturm den Lärm überhören.

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