Gedämpfte Prognose kurz vor dem Branchentreff
Die Branche trifft sich in Paris, doch die Stimmung bei Boeing bleibt verhalten. Der US-Flugzeugbauer rechnet in den kommenden zwei Jahrzehnten mit einer geringeren Nachfrage nach neuen Maschinen als bislang erwartet.
Bis zum Jahr 2044 sollen weltweit rund 43.600 neue Flugzeuge benötigt werden. Das sind fast 400 Jets weniger als noch vor einem Jahr in der Langfristprognose für 2043 kalkuliert wurden.
Der Rivale Airbus zeigt sich optimistischer. Die Europäer rechnen für den gleichen Zeitraum mit 43.400 neuen Jets – berücksichtigen dabei aber nur Maschinen mit mehr als 100 Sitzplätzen. Boeing hingegen bezieht in seine Rechnung auch kleinere Regionalflugzeuge ein, was die Zahlen schwer direkt vergleichbar macht.
Wachstum bleibt – aber die Dynamik nimmt ab
Trotz der Korrektur nach unten bleibt der globale Flugzeugmarkt auf Wachstumskurs. Die weltweite Flotte dürfte nach Boeings Einschätzung bis 2044 auf knapp 49.640 Passagier- und Frachtmaschinen anwachsen. Airbus rechnet mit einer ähnlichen Größenordnung.
Treiber bleiben vor allem die wachsende Mittelklasse in Asien, zunehmende Vernetzung der Schwellenländer und der Ersatzbedarf für ältere, weniger effiziente Maschinen.
Interessant ist die Aufteilung des künftigen Bedarfs: Etwa die Hälfte der neuen Jets soll zur Modernisierung bestehender Flotten dienen – alte, spritfressende Maschinen gehen aus dem Verkehr.
Die andere Hälfte wird für die Erweiterung der globalen Flotten bestellt, da der Luftverkehr vor allem in Asien-Pazifik und Teilen Afrikas weiter stark wächst.
Die Schmalrumpfjets dominieren den Markt
Besonders gefragt bleiben Schmalrumpfflugzeuge für Kurz- und Mittelstrecken. Maschinen wie die Boeing 737 Max oder die Airbus A320neo-Familie decken rund zwei Drittel bis vier Fünftel des erwarteten Bedarfs ab. Diese Flugzeuge bilden das Rückgrat der meisten Airlines – kosteneffizient, flexibel einsetzbar und mit vergleichsweise kurzen Lieferzeiten.
Die Großraumjets wie der Boeing 787 "Dreamliner", der 777X oder die Airbus-Modelle A350 und A330neo bleiben zwar wichtige Umsatzträger, spielen mengenmäßig aber eine deutlich kleinere Rolle.
Boeing kämpft mit den Altlasten der 737-Max-Krise
Hinter der zurückhaltenden Prognose stehen auch hausgemachte Probleme. Boeing steckt seit den Abstürzen zweier 737-Max-Maschinen in den Jahren 2018 und 2019 in einer tiefen Vertrauenskrise.
Nach weiteren technischen Pannen und einem Beinahe-Unglück Anfang 2024 hat die US-Luftfahrtbehörde FAA dem Hersteller inzwischen untersagt, die Produktion der 737 Max weiter hochzufahren.
Besonders bitter für Boeing: Gerade in diesem Schmalrumpfsegment ist die Nachfrage am stärksten. Während Airbus seine Produktionsraten für den A320neo hochschraubt und die Auftragsbücher füllt, bremst Boeing die eigenen Fertigungskapazitäten aus regulatorischen und internen Gründen.

Airbus profitiert von Boeings Schwäche
Die Probleme des US-Rivalen spielen Airbus derzeit in die Karten. Der europäische Hersteller kann die gestiegene Nachfrage nach Mittelstreckenjets besser bedienen und gewinnt bei internationalen Ausschreibungen zunehmend Marktanteile.
Vor allem Airlines aus Asien und dem Nahen Osten bevorzugen aktuell häufig Airbus, nicht zuletzt wegen stabilerer Lieferketten und weniger Produktionsrisiken.
Der Langfristtrend bleibt intakt – mit Unsicherheiten
Langfristig bleibt der weltweite Luftverkehr dennoch ein Wachstumsmarkt. Die Menschen fliegen mehr, neue Märkte öffnen sich, und der Bedarf an effizienteren, klimafreundlicheren Flugzeugen wächst weiter.
Gleichzeitig aber erhöhen sich auch die Risiken: geopolitische Spannungen, neue Umweltauflagen, hohe Kerosinpreise und die Frage, wie klimaneutrales Fliegen künftig technisch umgesetzt werden kann.
Boeings leicht gesenkte Prognose zeigt vor allem eines: Die Branche wird vorsichtiger. Wachstum ja – aber keine grenzenlose Euphorie mehr.
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