Die Veröffentlichung des BKA-Lagebilds „Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“ zieht die politische Aufmerksamkeit auf ein Thema, das seit Jahren polarisiert. Die Daten für 2024 zeigen zwei Trends, die auf den ersten Blick widersprüchlich wirken: weniger tatverdächtige Zuwanderer insgesamt, gleichzeitig aber höhere Werte bei Gewalt- und Tötungsdelikten. Und sie zeigen zwei Gruppen, die – gemessen an ihrer Bevölkerungsgröße – in der Statistik überproportional auffallen: Syrer und Afghanen.
Die Gesamtzahlen sinken, doch die Gewaltanteile steigen
331.308 Delikte wurden 2024 registriert, bei denen mindestens ein tatverdächtiger Zuwanderer ermittelt wurde – rund elf Prozent aller Straftaten ohne ausländerrechtliche Verstöße. Das ist ein Rückgang um 3,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr, vor allem bedingt durch die Cannabis-Teilliberalisierung, die Rauschgiftdelikte und Diebstahlsermittlungen reduzierte.
In der Gewaltkriminalität zeigt sich jedoch eine Verschiebung. Während die Menge der Tatverdächtigen insgesamt sinkt, steigt ihr Anteil an Körperverletzungs- und Tötungsdelikten. Die „Bild“-Zeitung hat den Zusammenhang pointiert, aber nicht falsch berechnet: 163 deutsche Tatverdächtige pro 100.000 Einwohner stehen 1740 Syrern und 1722 Afghanen gegenüber. Zahlen, die erklären, warum politische Reaktionen sofort folgten.
Eine Überrepräsentation mit demografischem Hintergrund
Das Lagebild liefert Hinweise darauf, wie diese Differenzen entstehen. Mehr als die Hälfte der tatverdächtigen Zuwanderer ist jünger als 30 Jahre, drei Viertel sind männlich. Das entspricht genau jener Bevölkerungsgruppe, die in allen Gesellschaften besonders häufig straffällig wird – unabhängig von Herkunft.
Zudem ist die Gruppe der Mehrfachverdächtigen auffällig groß: Rund ein Drittel der erfassten Zuwanderer wird wegen mehr als einer Straftat ermittelt. Besonders häufig betrifft das Menschen aus den Maghreb-Staaten, aus Libyen und aus Georgien.
Die statistische Überrepräsentation erklärt nicht jedes Delikt, aber sie ordnet die Dynamik ein: Die deutsche Zuwanderungsbevölkerung ist eine jüngere, stärker männlich geprägte Gruppe als die Gesamtbevölkerung – ein entscheidender Faktor in der Kriminalstatistik.
Hohe Tatverdächtigenzahlen – aber ebenso hohe Opferzahlen
Was leicht übersehen wird: Zuwanderer tauchen nicht nur häufiger als Tatverdächtige auf, sondern auch deutlich überproportional als Opfer. 70.051 Fälle registrierte das BKA im Jahr 2024. Besonders häufig handelte es sich um Körperverletzungen, aber auch bei Sexualdelikten zeigt sich ein hoher Frauenanteil unter den Betroffenen.
34,5 Prozent der Straftaten gegen Zuwanderer wurden von anderen Zuwanderern verübt. Nur 19,2 Prozent der Tatverdächtigen waren Deutsche. Das Lagebild zeigt damit interne Konflikte, die sich in sozialen Brennpunkten, Gemeinschaftsunterkünften und informellen Netzwerken verdichten.
Gerade syrische, ukrainische und afghanische Schutzsuchende werden oft Opfer – eine Realität, die in der öffentlichen Debatte selten dieselbe Aufmerksamkeit erhält wie die Täterzahlen.

Politische Stimmen setzen auf Abschreckung und Rückführung
Für Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der CDU, sind die Zahlen eindeutiger Beleg für einen systematischen Integrationsfehler. Bei WELT TV forderte er „regelhafte Abschiebungen“ nach Afghanistan und Syrien. Dass die Bundesregierung diese Position aufgreift, zeigt ein Zitat aus dem Bericht der „Bild“-Zeitung: Innenminister Alexander Dobrindt kündigt Rückführungen von Straftätern und Gefährdern in beide Länder an.
Die Position ist politisch klar, rechtlich jedoch komplex. Rückführungen in Kriegs- und Krisengebiete sind international umstritten, gleichzeitig steigt der Druck, Straftäter konsequenter auszuweisen.
Der Blick auf die Zuwanderungsrealität erweitert das Bild
2024 wurden erstmals mehr als drei Millionen Geflüchtete in Deutschland registriert. Ein Drittel davon ukrainische Staatsangehörige – eine Gruppe, die laut BKA „weit unter ihrem Anteil“ an den Tatverdächtigen liegt. Ebenso fallen Menschen aus der Türkei, Somalia und Guinea durch steigende Zuzugszahlen auf, während die irakischen und georgischen Geflüchteten weniger wurden.
Der Zusammenhang ist eindeutig: Kriminalität im Kontext von Zuwanderung ist kein monolithisches Phänomen. Unterschiedliche Herkunft, unterschiedliche soziale Ausgangslagen, unterschiedliches Konfliktpotenzial – das Lagebild zeigt eine Vielzahl an Mustern, die sich nicht mit einer einzigen Erklärung auflösen lassen.
Die Statistik schärft die Konturen einer Debatte, die sich nicht vereinfachen lässt
Zuwanderer sind häufiger tatverdächtig, weil die Gruppe jung ist, männlich, oft mehrfach belastet und sozial prekär lebt. Zugleich sind Zuwanderer überdurchschnittlich häufig Opfer – meist durch Täter aus derselben Gruppe. Und während Syrer und Afghanen stark überrepräsentiert sind, erscheinen Ukrainer, trotz großer Zahl, kaum in der Täterstatistik.
Die politische Debatte fokussiert auf die Gefahr. Das Lagebild zeigt etwas Größeres: eine soziale Realität, die weit vor der polizeilichen Statistik beginnt – und nicht mit Rückführungen endet.


