Noch im Frühjahr sah es düster aus: Europas Touristen wandten sich von den Vereinigten Staaten ab. Zwischen Januar und April 2025 brachen die Buchungen spürbar ein – etwa bei Thomas Cook, wo der Rückgang deutlich über den üblichen saisonalen Schwankungen lag.
Hintergrund war nicht nur ein starker Dollar oder die wirtschaftliche Unsicherheit, sondern auch die politische Großwetterlage: Donald Trumps Zollpolitik, die EU-Produkte mit Strafzöllen von bis zu 50 % belegt, hat auf dem Kontinent für Unmut gesorgt – und sogar Konsumboykotte ausgelöst.
Apps wie Brandsnap (Niederlande) und Detrumpify (Frankreich) zeigen, wie stark das Misstrauen gegenüber allem „Made in USA“ mittlerweile verwurzelt ist.
In Skandinavien geht man noch weiter: Die Salling Group markierte in Dänemark europäische Produkte mit Sternsymbolen als bewussten Gegenentwurf zu US-Waren. In Norwegen verweigerte ein Unternehmen kurzfristig sogar die Betankung von US-Militärschiffen.
Rebound bei den Reiselustigen
Und trotzdem: Ab Mai änderte sich das Bild rasant. Thomas Cook und andere Plattformen berichten von einem klaren Aufwärtstrend bei den US-Buchungen – angefeuert von aggressiven Preisnachlässen.
Hotelpreise in den USA fielen im Schnitt um 25 %, teils reichen 1-Dollar-Anzahlungen für eine Reservierung. Für viele Reisende, vor allem aus Großbritannien, offenbar ein unwiderstehliches Angebot.
„Der Markt zieht spürbar an, insbesondere bei preisbewussten Reisenden“, sagt Nicholas Smith, Digitalchef bei Thomas Cook und der eSky Group. „Die Mischung aus bekannten Reisezielen, gefallenen Preisen und wachsendem Dollar-Hunger scheint zu wirken.“
Auch TravelPerk, spezialisiert auf Geschäftsreisen, bestätigt: Im April stiegen US-Buchungen europäischer Firmenkunden um 1 % im Vergleich zum Vorjahr – während gleichzeitig US-Geschäftsreisen nach Europa um 14 % zulegten. Die Stornoraten liegen stabil bei 7–9 %.
Trotz Tesla-Krise: USA bleibt Sehnsuchtsziel
Zwar melden Unternehmen wie Tesla und McDonald’s herbe Rückgänge in Europa – Teslas Absatz schrumpfte von Januar bis April um ganze 46 %, McDonald’s verzeichnete globale Einbußen mit Schwerpunkten in Nordeuropa.
Dennoch zeigen Zahlen der Etraveli Group, dass die Reisebranche insgesamt stabil bleibt: Zwar sank die Zahl der Flugbuchungen von der EU in die USA um 7 %, doch die Zahl der kompletten Reisebuchungen stieg im selben Zeitraum um fast 20 %.
Heißt: Wer geht, bleibt länger – oder bucht intensiver.

Politik trifft Preissensibilität
Dass sich bei vielen dennoch eine gewisse US-Müdigkeit breitmacht, zeigen auch Daten der EZB. In einer Umfrage gaben 44 % der rund 19.000 befragten Europäer an, sie würden US-Produkte unabhängig vom Zollniveau künftig meiden.
Die Europäische Zentralbank spricht von einem „möglichen strukturellen Wandel in den Konsumgewohnheiten“.
Aber Reisen scheint ein anderes Kapitel zu sein. Auch wenn der französische Hotelkonzern Accor zuletzt von einem 25 %igen Rückgang bei US-Sommerbuchungen sprach – Analysten wie Hosuk Lee-Makiyama vom European Centre for International Political Economy bleiben gelassen: „Ein Teil ist politische Ablehnung, ein Teil schlicht Angst vor Problemen bei der Einreise.“
Schnäppchen schlagen Ideologie
Die eigentliche Antwort auf die politische Großwetterlage aber liefern die Kunden: Preis schlägt Prinzip. Trotz wachsender Kritik an Trump, trotz Antiamerikanismus in Supermärkten, bleibt die Sehnsucht nach New York, Miami oder dem Grand Canyon bestehen – solange der Preis stimmt.
Was daraus folgt? Vielleicht, dass wirtschaftliche Interessen und Reiseverhalten eben oft rationaler sind als politische Boykottfantasien. Oder wie es ein britischer Tourist auf Reddit formulierte:
„Ich boykottiere Coca-Cola – aber nicht Florida.“