Bio verkauft sich wieder – und zwar deutlich. Nach Jahren der Verunsicherung kehrt das Wachstum in den deutschen Markt für ökologisch erzeugte Lebensmittel zurück. Für 2025 rechnet der Deutsche Bauernverband mit einem Umsatzplus von rund acht Prozent. Die Marke von 18 Milliarden Euro wird klar überschritten. An der Ladenkasse ist die Absatzflaute des Inflationsjahres 2022 endgültig Geschichte.
Doch der Boom hat eine Schieflage. Die Nachfrage zieht spürbar an, die heimische Erzeugung nicht. Was der Handel feiert, stellt die Landwirtschaft vor ein strukturelles Problem.
Handelsketten treiben das Wachstum
Der wichtigste Wachstumsmotor sind erneut die Bioeigenmarken der großen Handelsketten. Supermärkte und Drogeriemärkte haben ihr Sortiment ausgeweitet, Preise gesenkt und Bio weiter in den Massenmarkt gedrückt. Für viele Verbraucher ist Bio damit weniger eine Überzeugungsfrage als eine Frage des Preisschilds geworden.
Bemerkenswert ist auch die Rückkehr des Naturkostfachhandels. Nach Jahren, in denen er gegenüber dem klassischen Lebensmitteleinzelhandel an Boden verlor, zählt er 2025 wieder zu den Gewinnern. Bio ist damit nicht mehr nur ein Discount- oder Premiumthema, sondern wieder breiter aufgestellt.
Rekorde bauen auf dem Vorjahr auf
Der aktuelle Schub kommt nicht aus dem Nichts. Bereits 2024 hatte der Gesamtumsatz mit Bio-Lebensmitteln laut Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft um 5,7 Prozent auf rund 17 Milliarden Euro zugelegt. Damit ließ die Branche den Einbruch von 2022 hinter sich, als steigende Preise und Kaufzurückhaltung den zuvor jahrelangen Wachstumstrend unterbrachen.
2025 markiert nun den nächsten Schritt – nicht spektakulär, aber stabil. Bio hat seinen Platz im Alltag zurückerobert.
Die Produktion hinkt der Nachfrage hinterher
Während die Kassen klingeln, bleibt die Entwicklung auf den Feldern und in den Ställen verhalten. Der Deutscher Bauernverband spricht von einer erneut äußerst geringen Umstellungsbereitschaft der Landwirte. Trotz wachsender Nachfrage wagen nur wenige Betriebe den Schritt in den Ökolandbau.
Das Ergebnis ist eine zunehmende Lücke zwischen Angebot und Nachfrage. Schon zu Jahresbeginn hatte die Branche davor gewarnt, dass der Handel fehlende Mengen verstärkt durch Importe ausgleichen könnte. Für ein Land, das Bio auch als regionales Nachhaltigkeitsprojekt versteht, ist das ein Widerspruch.
Ökolandbau wächst – aber im Schneckentempo
Formell wächst der Ökolandbau weiter, praktisch kaum. Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft werden inzwischen 11,5 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland ökologisch bewirtschaftet. Ein Jahr zuvor waren es 11,4 Prozent.

Damit entfernt sich die Realität immer weiter vom politischen Anspruch. Das Ziel von 30 Prozent Biofläche bis 2030, einst von der Ampelkoalition formuliert, wirkt unter den aktuellen Rahmenbedingungen kaum erreichbar. Steigende Kosten, bürokratische Hürden und unsichere Erlösperspektiven bremsen die Umstellung.
Bio wird billiger – der Druck steigt
Ein Teil des Problems liegt im Erfolg selbst. Die starken Bioeigenmarken des Handels drücken die Preise. Das macht Bio für Verbraucher attraktiver, verschärft aber den Margendruck für Erzeuger. Wer umstellt, trägt höhere Risiken, ohne automatisch von höheren Erlösen zu profitieren.
Für viele Landwirte ist das Kalkül nüchtern: Die Nachfrage ist da, die Planungssicherheit nicht. Solange sich das nicht ändert, bleibt Bio ein Wachstumsmarkt ohne entsprechendes Produktionsfundament.
Importabhängigkeit als stille Folge
Je stärker der Konsum wächst und je langsamer die heimische Erzeugung folgt, desto größer wird die Importabhängigkeit. Das widerspricht dem politischen Narrativ von regionaler Wertschöpfung und resilienten Lieferketten. Bio wird damit zunehmend global organisiert – ökologisch zertifiziert, aber nicht zwangsläufig lokal verankert.
Der deutsche Biomarkt steht damit an einem Wendepunkt. Der Absatz boomt, doch die strukturellen Fragen bleiben ungelöst. Ob Bio langfristig mehr ist als ein erfolgreiches Handelssegment, entscheidet sich nicht im Regal, sondern auf dem Acker.


