11. Juli, 2025

Politik

Berufsverbot per Gesinnungsprüfung – Rheinland-Pfalz zieht die Linie

AfD-Mitglieder sollen in Rheinland-Pfalz künftig keinen Platz mehr im Staatsdienst haben. Die Landesregierung verschärft die Verfassungstreuepflicht für Beamte – und stößt damit eine Grundsatzdebatte an.

Berufsverbot per Gesinnungsprüfung – Rheinland-Pfalz zieht die Linie
Bereits die Zugehörigkeit zu einer vom Verfassungsschutz beobachteten Partei kann künftig ein dienstrechtliches Problem darstellen – unabhängig von individuellem Verhalten.

Verwaltungsreform mit politischer Sprengkraft

Rheinland-Pfalz greift durch. Wer künftig im Staatsdienst arbeiten will, muss nicht nur das Grundgesetz achten, sondern nachweisen, dass er sich in den vergangenen fünf Jahren nicht in verfassungsfeindlichen Organisationen engagiert hat.

Auf einer internen Liste des Landesinnenministeriums steht dabei auch die AfD – mit unmittelbaren Folgen für Bewerber und bereits beschäftigte Beamte. Der öffentliche Dienst wird zur Frontlinie im politischen Kampf um die Deutungshoheit über den Begriff der Verfassungstreue.

Generalverdacht statt Einzelfallprüfung

Innenminister Michael Ebling (SPD) spricht von einer „unverrückbaren Pflicht zur Loyalität gegenüber der Verfassung“. Der Beamtenstatus sei ein öffentliches Amt – kein Ort für ideologische Experimente.

Die neue Verwaltungsvorschrift geht jedoch über bisherige Regelungen hinaus. Statt konkreter Straftaten oder disziplinarischer Vergehen reicht künftig die Mitgliedschaft in einer als extremistisch eingestuften Partei, um Zweifel an der Verfassungstreue auszulösen.

Der Verdacht allein genügt – zumindest für die Ablehnung einer Bewerbung oder den Beginn eines Disziplinarverfahrens.

Verfassungstreue als Gesinnungsprüfung – Bewerber müssen politische Vergangenheiten der letzten fünf Jahre offenlegen.

Was konkret geplant ist

Zentraler Hebel ist die schriftliche Erklärung künftiger Bewerber, in den letzten fünf Jahren keiner verfassungsfeindlichen Gruppierung angehört zu haben. Zudem werden für Polizisten strengere Anforderungen formuliert, darunter ein aktives Eintreten für die öffentliche Sicherheit auch außerhalb des Dienstes.

Für den Fall schwerer Verstöße sieht das reformierte Landesdisziplinargesetz künftig längere Verjährungsfristen und schnellere Suspendierungen vor. Rheinland-Pfalz will dabei, anders als einige Bundesländer, weiter auf gerichtliche Verfahren setzen statt auf Verwaltungsakte.

AfD spricht von Gesinnungskontrolle

Der rheinland-pfälzische AfD-Vize Sebastian Münzenmaier nennt die Pläne „verfassungswidrig“ und spricht von einem „Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ – allerdings ausgehend vom Innenministerium, nicht von seiner Partei.

Dass die AfD bundesweit als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft ist, spielt er herunter. Die Verschärfung sei ein durchschaubares Wahlkampfmanöver der SPD, die laut aktuellen Umfragen hinter CDU und AfD auf Platz drei gefallen ist.

Beamtenstatus unter Vorbehalt – Polizisten müssen künftig auch im Privatleben ‚das Ansehen der Polizei wahren. Mit neuen Loyalitätsklauseln wird der öffentliche Dienst zum politischen Prüfstein – mit unklarer Grenze zwischen Verfassungsschutz und Gesinnungskontrolle.

Verfassungsschutz als politische Instanz

Kritisch bleibt dabei die Frage nach der Rechtsgrundlage. Die Liste der verfassungsfeindlichen Organisationen, auf die sich die Vorschrift stützt, stammt vom Landesverfassungsschutz – einer Behörde, die dem Innenministerium untersteht.

Gegner sprechen daher von einem politisch aufgeladenen Verfahren mit unscharfen Kriterien und potenzieller Missbrauchsgefahr. Befürworter hingegen verweisen auf die Fürsorgepflicht des Staates und das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Beamten und Republik.

Ein juristisches Minenfeld

Verfassungsrechtlich ist das Vorhaben heikel. Zwar steht im Beamtenrecht der Grundsatz der Verfassungstreue seit jeher im Zentrum. Aber ein Berufsverbot allein wegen Parteimitgliedschaft – auch in einer vom Verfassungsschutz beobachteten Organisation – könnte vor Gericht scheitern.

Die Abwägung zwischen politischer Gesinnungsfreiheit und Loyalitätsanforderung ist verfassungsrechtlich komplex. Schon die Unterscheidung zwischen Gesinnung und Verhalten ist juristisch vermint.

Politik vor Rechtslage?

Der Zeitpunkt der Neuregelung ist auffällig: In weniger als einem Jahr wird in Rheinland-Pfalz ein neuer Landtag gewählt. Die SPD steht unter Druck, die AfD gewinnt, Umfragen deuten auf einen möglichen Regierungswechsel.

Die Frage, ob die Verschärfung des Disziplinarrechts mehr dem Schutz der Verfassung oder der Schwächung politischer Gegner dient, steht im Raum – auch wenn sie von der Landesregierung zurückgewiesen wird.

Signalwirkung über Rheinland-Pfalz hinaus

Was in Mainz beginnt, dürfte bundesweit Schule machen. Schon jetzt prüfen mehrere Länder ähnliche Vorstöße. Der öffentliche Dienst könnte damit in Zukunft zum Prüfstein für politische Loyalität werden – mit unklarer Grenze zwischen berechtigter Vorsicht und undemokratischer Ausgrenzung.

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